Gewalt in Pakistan eskaliert: Gezielte Morde in Karatschi
In der pakistanischen Metropole herrschen bürgerkriegsähnliche Zustände. Die Polizei hat die Anweisung, ohne Warnung auf Gewalttäter zu schießen.
BANGKOK taz | In Pakistans Wirtschaftsmetropole Karatschi ist es am Freitag am vierten Tag in Folge zu Schießereien zwischen Anhängern verschiedener politischer und ethnischer Gruppen gekommen. Mindestens 17 Menschen wurden getötet, berichtete der Sender Dawn News. Damit fielen der jüngsten Gewalt bisher mindestens 87 Menschen zum Opfer. Zum schwerwiegendsten Vorfall kam es am Donnerstag, als Unbekannte das Feuer auf zwei Busse eröffneten. Zwölf Menschen starben, darunter ein sechsjähriges Mädchen.
Die Kämpfe bringen das öffentliche Leben in der Stadt fast zum Erliegen. Die Straßen sind oft menschenleer. In den betroffenen Vierteln sind die Menschen selbst zu Hause nicht sicher. "Die Wände meines Hauses sind von Kugeln durchsiebt", sagte Akber Kahn aus Orangi. Innenminister Rehman Malik entsandte 1.000 weitere Paramilitärs in die Stadt.
Sharjeel Memon, Informationsminister der Provinz Sindh, erklärte, Polizei und Paramilitärs seien angewiesen, ohne Warnung auf Gewalttäter zu schießen. Der Analyst Hamid Gul nennt die Auseinandersetzungen einen "Revierkampf". Die regierende Peoples Party (PPP) versuche, die Grenzen der Wahlkreise in der Stadt zu ihren Gunsten zu verändern, was auf Kosten der Lokalpartei MQM ginge. Viele Politiker hätten Kontakte zu Unterweltgruppen und setzten diese ein.
Der Konflikt verschärfte sich, seit die MQM im Juni die Regierungskoalitionen in Islamabad und in der Provinz Sindh verlassen hat. Doch er geht über einen reinen Machtkampf politischer Parteien hinaus. Denn jede beteiligte Partei vertritt eine ethnische Gruppe. MQM ist die Partei der Mohajirs, der Nachkommen jener Muslime, die während der Teilung Britisch-Indiens nach Pakistan flohen. Die PPP hat ihre Basis vor allem unter der Sindhi-Ethnie in der Region, während die Awami National Partei Paschtunen aus dem Nordwesten vertritt. Laut Menschenrechtskommission wurden in Karatschi in der ersten Jahreshälfte 2011 mehr als 1.100 Menschen gewaltsam getötet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Donald Trump wählt seine Mannschaft
Das Kabinett des Grauens
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels