Gewalt in El Salvador: Mit der Lizenz zum Töten
Nach einer Mordwelle geht Präsident Bukele heftigst gegen Banden vor. Die normale Bevölkerung muss derweil mit rigiden Corona-Maßnahmen leben.
In den Tagen zuvor hatte das mittelamerikanische Land eine Welle der Gewalt erlebt: 58 Menschen wurden ermordet. Für die Taten werden Jugendbanden, sogenannte Maras, verantwortlich gemacht. Der Befehl für das Töten sei dem Geheimdienst zufolge aus den Haftanstalten gekommen, ließ Bukele wissen. Von nun an würden die Zellen an 24 Stunden am Tag komplett geschlossen würden, zudem werden Mitglieder verfeindeter Mara-Gruppen zusammengelegt. „Sie werden drin sein, im Dunkeln, mit ihren Freunden von den anderen Banden“, twitterte der Präsident sarkastisch.
„Das führt zu mehr Gewalt, aber auch zu neuen Allianzen“, befürchtet Alejandra Burgos vom salvadorianischen Colectivo Feminista gegenüber der taz. Um das zu verhindern, wurden die Kriminellen bislang bewusst in getrennten Trakten gefangen gehalten.
Bukele, der vor allem über Twitter kommuniziert, erlaubte darüber hinaus Soldaten und Polizisten, bei ihrer Jagd auf Maras auch tödliche Gewalt anzuwenden. Das sei eine „Blankovollmacht zum Morden“, kritisierte José Miguel Vivanco, der Leiter des Amerika-Büros von Human Rights Watch. Der Präsident garantierte den Sicherheitskräften zudem juristische Schützenhilfe für den Fall, dass sie „zu Unrecht angeklagt werden, weil sie ihr Leben und das von ehrbaren Menschen gegen Terroristen verteidigt haben“. Die Maras würden es ausnutzen, dass die Beamten mit Kontrollen wegen des Covid-19-Virus beschäftigt seien.
Wer gegen Corona-Regeln verstößt, wird eingesperrt
Erst am Dienstag hat die Regierung die Ausgangssperren zur Bekämpfung der Pandemie bis zum 16. Mai verlängert. Wer sich unerlaubt auf der Straße bewegt, wird festgenommen und muss 30 Tage in „Eindämmungszentren“ verbringen. Der 38-jährige autokratisch regierende Präsident steht wegen der restriktiven Maßnahmen heftig in der Kritik, Menschenrechtsgruppen prangern sein Vorgehen an. Mehr als 2000 Menschen wurden eingesperrt, weil sie die Regeln missachtet haben.
Immer wieder berichten Betroffene, dass sie sich in den Eindämmungszentren angesteckt haben. Das fünfköpfige Oberste Verfassungsgericht El Salvadors hatte die Inhaftierung untersagt, doch das stört Bukele wenig: „Fünf Personen werden nicht über den Tod von hunderttausenden Salvadorianern entscheiden, so viel Tinte und Stempel sie auch haben.“
Dass sich der Staatschef wenig um legale Vorgaben kümmert, hat er bereits im Februar gezeigt. Weil sich das Parlament geweigert hatte, einem Kredit für den Ausbau des Sicherheitsapparats zuzustimmen, ließ er die Armee im Abgeordnetenhaus aufmarschieren. Die starke Einbeziehung der Soldaten gegen die Pandemie sei eine Fortsetzung dieser Politik, so die Menschenrechtsaktivistin Burgos. „Es geht darum, ein militaristisches Narrativ von den Helden der Nation zu schaffen.“
Die restriktiven Maßnahmen gegen das Virus stoßen in der Bevölkerung allerdings auf Zustimmung. Jüngsten Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Gallup zufolge unterstützen 97 Prozent der Salvadorianer Bukeles Vorgehen.
Mordrate seit Bukeles Amtsübernahmen stark gesunken
Bukeles autokratischer Regierungsstil kommt gut an, schließlich ist die Mordrate seit seiner Amtsübernahme massiv gesunken. Mit drei bis vier Menschen sterben so wenig Menschen wie nie in diesem Jahrtausend eines gewaltsamen Todes. Warum es am Wochenende zu der Eskalation kam, ist unklar.
Nicht auszuschließen sei, dass ein Pakt zwischen Bukele und den Maras zerbrochen sei, vermutet Burgos. Vorher hatten die Banden mit dafür gesorgt, dass die Menschen in den von ihnen kontrollierten Vierteln die „soziale Distanz“ einhielten.
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