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Gewalt im mexikanischen FußballOrganisierte Randale?

Nach dem Gewaltexzess bei einem Fußballspiel in Mexiko sind viele Fragen offen. Zum Beispiel die, wie groß der Einfluss krimineller Vereinigungen ist.

Brutale Gewalt: Anhänger des FC Queretaro und von Atlas Guadalajara schlagen aufeinander ein Foto: Sergio Gonzalez/ap

Oaxaca taz | Einundzwanzig Hausdurchsuchungen und vierzehn Festnahmen – wenige Tage nach den schweren Ausschreitungen im Stadion des mexikanischen Fußballvereins Querétaro FC hat die Generalstaatsanwaltschaft erste strafrechtliche Schritte gegen die mutmaßlichen Verantwortlichen eingeleitet. Die Vorwürfe: versuchter Mord, Gewalt bei Sportveranstaltungen, Befürwortung von Straftaten. Auch die Mexikanische Fußballföderation (FMF) reagierte schnell und verhängte harte Strafen gegen den Verein.

Ein Jahr lang müssen die Spieler des Erstliga­klubs aus der Industriestadt Querétaro sowie dessen Frauen- und Jugendmannschaft in ihrem Stadion La Corregidora vor leeren Rängen spielen. Die gesamte Führung des Klubs wurde suspendiert. Der Gouverneur des gleichnamigen Bundesstaats Querétaro, Mauricio Kuri, ließ noch am Tag der Krawalle wissen, nichts bleibe straflos. Kurz darauf wurden Beamte der sichtlich überforderten Polizei vom Dienst suspendiert und einer privaten Sicherheitsfirma der Vertrag gekündigt.

Die Botschaften sind eindeutig: Wir tun alles dafür, die Krawalle vom vergangenen Samstag aufzuklären. Und wir beweisen, dass wir unser Gewaltproblem in den Griff bekommen. Das war nötig, schließlich hatten die zahlreichen Videos, die nach dem abgebrochenen Spiel des Vereins gegen Atlas Guadalajara in sozialen Netzwerken zirkulierten, im Land und international für Entsetzen gesorgt.

Sie zeigen, wie junge Männer mit brutaler Gewalt aufeinander einschlagen und selbst dann weiter auf ihre teilweise nackten Opfer einprügeln, als diese bereits reglos auf dem Boden liegen. Panisch zogen sich die jeweiligen Fans ihre T-Shirts vom Leib, um nicht als solche erkannt zu werden. Viele Zuschauerinnen und Zuschauer flüchteten von den Rängen auf das Spielfeld, andere versuchten, das Stadion zu verlassen. Doch auch außerhalb der Anlage gingen die Prügeleien weiter. Die Spieler zogen sich nach dem Abbruch der Partie in die Kabinen zurück. Sechsundzwanzig Personen wurden verletzt, drei befanden sich am Dienstag noch in einem sehr schlechten Zustand. Die mexikanische Tageszeitung El Universal schrieb vom „schwärzesten Tag in der Geschichte des mexikanischen Fußballs“.

Drei Jahre ohne Zuschauer

Der Weltfußballverband Fifa zeigte sich „geschockt über den tragischen Vorfall“ und forderte eine schnelle Aufklärung. Wohl deshalb sind Mexikos Sportfunktionäre bemüht, Handlungsfähigkeit zu demonstrieren. Denn gemeinsam mit den USA und Kanada soll das Land die Fußball-WM 2026 ausrichten. Das steht zwar bislang nicht zur Disposition, aber die Fifa verwies deutlich darauf, dass Gewalt im Stadion keinen Platz haben dürfe. Ähnlich stellte der Fußballverband Nord- und Zentralamerikas und der Karibik klar, dass Gewalt und Vandalismus im Fußball und in der Gesellschaft nichts zu suchen hätten. In Mexiko, wo täglich hundert Menschen ermordet werden, kann man das durchaus als Drohung verstehen. Ohnehin haben die mexikanischen Funktionäre immer wieder wegen homophober Sprechchöre in den Stadien Ärger mit der Fifa.

Warum griffen die Polizisten nicht ein? Wieso konnten Waffen ins Stadion gelangen?

„Es werden keine Ultras mehr in die Stadien kommen“, kündigte Mikel Arriola, der Chef der mexikanischen Liga, an und will nun beim Kartenverkauf umfangreich Daten erfassen. Die Querétaro-Hooligans dürfen die nächsten drei Jahre kein Heim- und ein Jahr kein Auswärtsspiel mehr besuchen, und die gewalttätigen Atlas-Fans müssen ein halbes Jahr lang zu Hause bleiben, wenn ihr Klub auswärts kickt. Doch neben Atlas und Querétaro FC haben auch einige andere Vereine einen gewalttätigen Ultra-Anhang. Das Problem ist also nicht aus der Welt, zumal die Motive hinter den Gewaltexzessen unklar sind. Viele Fragen sind offen. Warum griffen die Polizisten nicht ein? Warum waren zu wenige Beamte eingesetzt? Wieso konnten trotz Kontrollen Waffen ins Stadion gelangen?

Es sei nicht auszuschließen, dass die Ultras von der organisierten Kriminalität infiltriert sind, erklärte eine Sprecherin der Landesregierung der Tageszeitung Reforma. Das vermutet auch der Wissenschaftler Hugo Sánchez Gudiño von der Autonomen Nationaluniversität UNAM, der zu den Hooligans forscht. Einst als Gruppen zur Animation in den Stadien gegründet, würden diese Ultras heute Eintrittskarten, Drogen und Alkohol verkaufen.

Der Fußballklub Atlas aus Guadalajara befinde sich im Einflussgebiet des Jalisco-Kartells, Querétaro FC in einer Region, die von der kriminellen Organisation Santa Rosa de Lima kontrolliert werde. Beide Kartelle führen einen Krieg um die Kontrolle des lukrativen Benzindiebstahls. Sánchez Gudiño erklärt: „Den verfügbaren Daten zufolge agieren die Kriminellen in den beiden Ultra-Gruppen.“

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