Gewalt im Westjordanland: Israels Militär tötet zwei Palästinenser
Neue Belastung für die Friedensgespräche: Soldaten und Palästinenser lieferten sich Schusswechsel. Und Premier Netanjahu will am Siedlungsbau auf jeden Fall festhalten.
TEL AVIV/NABLUS dpa/afp | Israelische Soldaten haben in der Nacht zum Donnerstag bei einem Feuergefecht in der Stadt Kalkilja im besetzten Westjordanland einen Angehörigen des palästinensischen Sicherheitsdienstes erschossen. „Wir hatten einen Hinterhalt gelegt, um einen Bewaffneten zu fassen, der in den letzten Wochen mehrfach auf unsere Patrouillen schoss“, berichtete ein israelischer Militärsprecher. „Der Mann eröffnete das Feuer, das wir erwiderten.“ Später habe das Militär dann erfahren, dass er tot sei.
Von Seiten der palästinensischen Sicherheitskräfte hieß es, bei dem Getöteten handele es sich um den 29-jährigen Geheimdienstoffizier Saleh Jasin. Dieser sei auf dem Heimweg gewesen, als er in den Hinterhalt geriet.
Am Abend zuvor hätten israelische Einsatzkräfte in Zivilkleidung und in Fahrzeugen mit palästinensischen Nummernschildern im Flüchtlingslager Dschenin im Norden des Westjordanlandes den Sohn eines inhaftierten Anführers der radikalislamischen Hamas festnehmen wollen, berichteten palästinensische und israelische Medien. Dabei seien sie auf Widerstand gestoßen und hätten die Armee zur Verstärkung gerufen.
Bei einem heftigen Schusswechsel seien ein 22-jähriger Palästinenser getötet und ein weiterer schwer verletzt worden. Anschließend hätten etwa 100 Palästinenser die Israelis mit Granaten, Brandsätzen und Steinen angegriffen. Die Soldaten erwiderten nach Angaben des Militärs das Feuer und verletzten sieben weitere Menschen. Nach Angaben von palästinensischer Seite handelt es sich bei dem Getöteten 23-jährigen Nafaa al-Sajedi um ein Mitglied der Salafistengruppe Islamischer Dschihad.
Nach einer Zählung der Nachrichtenagentur AFP erhöhte sich die Zahl der in diesem Jahr von den israelischen Streitkräften getöteten Palästinenser mit den beiden jüngsten Fällen auf 28. Ein Sprecher von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas beschuldigte Israel einer „gefährlichen Eskalation“ der Lage, die den Friedensprozess im Nahen Osten gefährde und "in eine Sackgasse" führe.
Siedlungsbau gegen Freilassungen
Unterdessen hat Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu seinen Parteifreunden zugesichert, den Siedlungsbau in den besetzten Palästinensergebieten nicht einzustellen. „Wir werden nicht einmal für einen Augenblick aufhören, unser Land zu errichten, stärker zu werden und den Siedlungsbau zu entwickeln“, sagte Netanjahu bei einem Spitzentreffen seiner konservativen Likud-Partei in Tel Aviv am späten Mittwochabend. Er bezog sich dabei auf Presseberichte über Forderungen aus den USA, weitere Gefangenenfreilassungen nicht mit dem Bau neuer Siedlerwohnungen zu verknüpfen.
US-Außenminister John Kerry, der die von ihm vermittelten direkten Friedensgespräche im Nahen Osten in Gefahr sieht, dringt auf Zurückhaltung, bevor am 29. Dezember wie verabredet eine dritte Gruppe von 26 palästinensischen Langzeithäftlingen aus israelischen Gefängnissen freikommen soll. Parallel zu den beiden vorangegangenen Begnadigungsaktionen im August und Oktober hatte die israelische Regierung jeweils neue Siedlerwohnungen in vierstelliger Zahl ausgeschrieben.
Der frühere israelische Justizminister und Friedensunterhändler Jossi Beilin von der oppositionellen Arbeitspartei schrieb in einem Gastkommentar für die Tageszeitung Hajom, dass die Regierung plane, parallel zur nächsten Gefangenenfreilassung den Bau von 2000 neuen Wohnungen in den besetzten Gebieten anzukündigen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken