Gewalt im Iran: Angst vor Pogromen

Unbekannte feuern auf das Auto des Oppositionsführers Karrubi. Revolutionsführer Chamenei ruft deshalb dazu auf, die Bestrafung der Gegner den Behörden zu überlassen.

Karrubi im Gespräch mit iranischen Studenten. Bild: ap

BERLIN taz | Auf das Auto des iranischen Oppositionsführers Mehdi Karrubi sind Schüsse von Unbekannten abgegeben worden. Wie mehrere regierungskritischen Websites berichteten, ereignete sich der Vorfall am vergangenen Freitag, als Karrubi nach dem Besuch einer Trauerfeier die nordiranische Stadt Ghasvin verlassen wollte. "Die Männer beschossen zweimal sein Auto", wurde Karrubis Sohn zitiert. Sein Vater sei dem Angriff nur entkommen, weil der Wagen gepanzert gewesen sei.

Der ehemalige Parlamentspräsident gehört neben Mir Hossein Mussavi und Mohsen Resai zu den unterlegenen Kandidaten bei der umstrittenen Präsidentenwahl im vergangenen Juni. Karrubi zählt zu den schärfsten Kritikern der Regierung Mahmud Ahmadinedschads. Saham News, die offizielle Website von Karrubis Partei Etemad Melli, sieht den Grund für den Angriff in der seit Tagen herrschenden Pogromstimmung. Tatsächlich wurden bei den staatlich inszenierten Massendemonstrationen hartes Vorgehen gegen die Opposition und Hinrichtung der Oppositionsführer Karrubi, Mussavi und Mohammed Chatami gefordert.

Karrubi selbst erklärte am Samstag, er habe seine Leibwächter entlassen. "Beschützer, die bei solchen Ereignissen ihre Aufgabe nicht wahrnehmen dürfen, sind überflüssig", sagte Karrubi. Selbst die Polizei und Sicherheitsbeamte, die vor Ort waren, hätten ihm nicht den nötigen Schutz gewährt. Solche Aktionen würden seinen Willen bestärken, "noch entschlossener als bisher für die Rechte der Menschen zu kämpfen".

Indes forderte Revolutionsführer Ali Chamenei in einer am Samstag vom staatlichen Fernsehen übertragenen Rede die Sicherheitskräfte auf, "hart" gegen regierungsfeindliche Demonstranten vorzugehen. Die Behörden wüssten, was das Volk von ihnen verlange. Die nach den blutigen Unruhen am 27. Dezember organisierten Massenkundgebungen bezeichnete Chamenei als "letzte Warnung" an die "Verderber und Randalierer".

Bemerkenswert bei dieser ersten Stellungnahme des Revolutionsführers nach den Unruhen ist, dass er dabei von einer Krise sprach, von einer "komplizierten Verschwörung", die nur mit großer "Vorsicht und Klugheit" und "selbstverständlich mit Entschlossenheit" bewältigt werden könne. Bei allem Verständnis für den Unmut der Bevölkerung dürften Leute, die nicht dazu befugt seien, keine Vergeltung üben, sagte Chamenei. Die Bestrafung der "verderblichen, konterrevolutionären Unruhestifter" sei den zuständigen Behörden vorbehalten.

Offenbar spürt Chamenei die Gefahr, dass die staatlich erzeugte Pogromstimmung in eine bürgerkriegsähnliche Situation münden könnte. Genau davor warnten in den letzten Tagen nicht nur die Sprecher der Opposition, sondern selbst moderate Konservative, die zunehmend zu dem konfrontativen Kurs der Regierung auf Distanz gehen. Der Appell Chameneis an die Bevölkerung, Zurückhaltung zu üben, soll das harte Vorgehen der Behörden gegen Oppositionelle als legitim erscheinen lassen.

Der Teheraner Staatsanwalt Abbad Dschafari Dolatabadi erklärte am Samstag, beim Revolutionsgericht Anklage gegen fünf Demonstranten zu erheben. Er bezeichnete sie als Mohareb (Krieger gegen Gott), ein Vergehen, das in der Islamischen Republik mit dem Tode bestraft wird. Zu den im Zuge der Unruhen verhafteten Bahais sagte Dolatabadi, diese seien an der Organisierung der Unruhen aktiv beteiligt gewesen. Außerdem hätten sie Videoaufnahmen an ausländische Sender geschickt. Schließlich seien Waffen und Munition in ihren Häusern gefunden worden.

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