Gewalt im Fußballstadion: Knüppel, Gewalt und Tränengas
Immer wieder kommt es zu Auseinandersetzungen zwischen Fans und Polizei. In Frankfurt gab es mehrere Verletzte – auf beiden Seiten.
Sie erfordern zwar etwas Sucherei, aber es gibt sie; die Angaben, in denen die Darstellungen der Frankfurter Polizei mit denen der Fußballfans von Eintracht Frankfurt übereinstimmen. „Einfache körperliche Gewalt, Pfefferspray und Schlagstöcke“ hätten die Beamten am Samstag vor dem Bundesligaspiel der Eintracht gegen den VfB Stuttgart eingesetzt, schreibt die Polizei in einer Pressemitteilung.
Das klingt in dem Statement von „Der 13. Mann“, einem Eintracht-Fanbündnis, ganz ähnlich. Auch, dass die Ausschreitungen vor Block 40 des Waldstadions, dort wo die Ultras zu Hause sind, stattfanden, ist unbestritten. Bei allem anderen herrscht wie so oft Uneinigkeit zwischen Polizei und Fans.
Das fängt schon beim Motiv des Einsatzes an, den die Polizei inzwischen damit begründet, dass der Ordnungsdienst sie um Hilfe gebeten habe, nachdem Fans ihn angegriffen hätten. Zunächst hatte die Polizei behauptet, es sei zu Ausschreitungen zwischen Fangruppen gekommen, und das später revidiert.
Die Fans hingegen schreiben von einer „versuchten Festnahme durch eine zivil gekleidete Person“, weil eine mutmaßlich falsche Eintrittskarte vorlag. Daraufhin habe die Polizei „massiv den Bereich vor Block 40“ betreten und die Eskalation, so liest sich die Fan-Darstellung, gezielt heraufbeschworen. Dabei hätten die Beamten keine Rücksicht auf „Verluste bei normalen Fans, Frauen und Kindern“ genommen. Mindestens 70 Fans seien verletzt worden, sieben davon schwer.
Die Gemengelage ist sinnbildlich
Die Polizei schreibt unterdessen, es lägen „keine polizeilichen Erkenntnisse über verletzte unbeteiligte Stadionbesucher – insbesondere auch nicht zu Kindern – vor“. Dafür seien mehr als 100 Ordner und Polizeibeamte verletzt worden. Wie viele „Angreifer“ verletzt wurden, wisse man nicht.
Unterm Strich steht damit eine sinnbildliche Gemengelage für gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Fans und der Polizei. Schuld will niemand gewesen sein, stumpfe Gewalttäter gebe es nur auf der jeweils anderen Seite.
Dass die Wahrheit auch diesmal irgendwo in der Mitte liegen dürfte, ist weniger wichtig als die Tatsache, dass es aktuell scheinbar wieder zu mehr Gewalt in und um Fußballstadien kommt. Auffällig dabei: Die Polizei begibt sich zunehmend in die Nähe von Fanblöcken – oder dringt gar darin ein. So wie vor zwei Wochen im Hamburger Millerntorstadion.
Beim Heimspiel des FC St. Pauli gegen Hannover 96 drangen Polizeibeamte in den Gästeblock und setzten Tränengas ein, bei dem es angesichts der vielen Menschen auf engem Raum in einem Fußballstadion kaum zu vermeiden ist, dass Unbeteiligte darunter leiden. Ohnehin zeigen Vorfälle aus der Vergangenheit, dass das Vordringen der Polizei in Fanblocks alles andere als deeskalierende Wirkung hat.
Eintracht Frankfurt kündigt eigene Ermittlungen an
Ähnliches gilt für Äußerungen wie die der hessischen Polizeigewerkschaft, die am Sonntag den Staat zum Handeln aufforderte: „Stadionverbote und deren konsequente Durchsetzung dürfen nicht zum Tabuthema verkommen.“
Ebenso wenig zuträglich für das Vertrauen von Fußballfans in die Staatsgewalt sind Versuche der Polizei, mögliches Fehlverhalten von Beamten selber zu ermitteln. Experten fordern schon lange eine unabhängige Untersuchungsstelle.
Auch der Verein Eintracht Frankfurt, der als Fan-nah gilt, scheint von der nun ins Leben gerufenen Soko 2511 nicht ganz überzeugt. Eintracht-Vorstand Philipp Reschke kündigte eigene Ermittlungen an: „Wir werden in den kommenden Tagen jeden Stein umdrehen und jedes Mosaiksteinchen zusammenfügen, um ein genaues Bild davon zu haben, wie es zu diesen Szenen kommen konnte.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Berliner Sparliste
Erhöht doch die Einnahmen!
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid