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Gewalt gegen Kinder während CoronaSchulen müssen schützen

Nina Apin
Kommentar von Nina Apin

Die Polizeiliche Kriminalstatistik für 2020 zeigt, dass Kinder Opfer der Pandemie sind. Das ist wörtlich zu verstehen.

Kinder brauchen Schule, und Schule ist mehr als ein Ort der Wissensvermittlung Foto: Frank Sorge/imago

K inder als Opfer der Coronakrise, davon war viel zu lesen: verpasster Schulstoff, eingeschränkte soziale Aktivitäten und Bewegungsmangel. Doch führt man sich die am Mittwoch vorgestellten Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik für 2020 vor Augen, wird klar, dass „Opfer“ wörtlich zu verstehen ist.

Gut 35 Prozent mehr durch Gewalteinwirkung gestorbene Kinder als im Vorjahr, 10 Prozent mehr körperliche Misshandlungen und fast 7 Prozent mehr sexuelle Gewalttaten – Kinder sind in Deutschland durch die Isolation in der Pandemie an Leib und Leben bedroht.

Ihnen muss jetzt schnell geholfen werden. Hier geht es nicht in erster Linie um Bildungslücken, die Interims-Familienministerin Lambrecht mit einem „Aufholpaket“ stopfen will. Aufgeholt werden muss vor allem in der Kinder- und Jugendhilfe, mit Beratung, Betreuung und Therapien.

Aus der Forschung weiß man, dass die Folgen für misshandelte und missbrauchte Kinder umso weniger schwerwiegend sind, je schneller sie aus der Missbrauchsbeziehung herauskommen. Dafür aber müssen HelferInnen erst mal wieder an die Kinder herankommen.

Deshalb sollte sich jedes Bundesland bewusst sein, dass jeder Tag mit geöffneten Schulen zählt. Schulen sind für Betroffene ein Rettungsanker, eine Atempause und, wenn es gut läuft, die Chance auf Hilfe. Die Sommerferien sollten deshalb für Kompetenzerwerb im Kinderschutz genutzt werden: Damit es in jeder Schule und in jedem Kindergarten mindestens eine geschulte Ansprechperson gibt. Und PädagogInnen, die grenzenwahrende Sexualaufklärung und digitale Bildung vermitteln.

Laut Kriminalstatistik ist die Zahl Minderjähriger, die Missbrauchsabbildungen herstellen, besitzen und online verbreiten, exorbitant gestiegen. Kein Wunder. Die diffizilen Themen Sexualität und Internet werden in Schulen wie Elternhäusern vernachlässigt. Jetzt zeigt sich: Kinder brauchen Schule, und Schule ist mehr als ein Ort der Wissensvermittlung. Sie kann Kinder stärken – wenn die Bildungspolitik diesen Auftrag endlich ernst nimmt.

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Nina Apin
Redakteurin Meinung
Jahrgang 1974, geboren in Wasserburg am Inn, schreibt seit 2005 für die taz über Kultur- und Gesellschaftsthemen. Von 2016 bis 2021 leitete sie das Meinungsressort der taz. 2020 erschien ihr Buch "Der ganz normale Missbrauch. Wie sich sexuelle Gewalt gegen Kinder bekämpfen lässt" im CH.Links Verlag.
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1 Kommentar

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  • Puh.



    Ich sage voraus, dass wir hier entsetzlich scheitern werden.



    Nur "Randpolitiker" haben solche Themen auf dem Schirm, oder jedenfalls werden sie ansonsten nur gesehen, allerhöchstens benannt, nicht angegangen.



    Wobei hier ja sogar eine gewisse Hoffnung in einer Justizministerin läge, sofern sie denn über familienrechtliche Kenntnisse und Erfahrungen verfügt und weiß, wie Jugendämter, Schulen, Sozialarbeiter, Familienbildungsstätten und die Familien selber gut zusammenwirken können.

    *träum weiter, dumme Nudel...*