■ Zu den Artikeln und Kommentaren des Schülerterrors in Hildesheim : Gewalt an Schulen
betr.: „Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen“, taz vom 6. 2. 04
So ein Quatsch! Man solle den untätigen Schülern keine Vorwürfe machen! Psychologengeschwätz! Natürlich muss man den Schülern mal deutlich machen, was sie durch ihre Untätigkeit mitverursacht und mitverschuldet haben. Und zwar deutlich und unmissverständlich! Es geht schließlich um einen Menschen, dessen geistige und körperliche Unversehrtheit zerstört wurde, womöglich für immer! Im Übrigen ist unterlassene Hilfeleistung ein Straftatbestand! Ich bin nun wahrlich nicht für die Wiedereinführung der Prügelstrafe oder anderer körperlicher Ertüchtigungen. Aber bei dieser Art von (weltfremder) Kuschelpädagogik geht mir doch der Hut hoch!
STEPHANIE GÜNTHER, FREIBURG
betr.: „ ‚Es gibt keine steigende Gewalt an Schulen‘, sagt Joachim Kersten“, taz vom 5. 2. 04
Was lesen meine entzündeten Augen? „Wir wissen, dass zum Beispiel Amoktäter mehr Gewaltbilder konsumieren – aber wir wissen eben nicht, ob solche Bilder die Tat auslösen. Das wird in der Debatte dauernd unterstellt, ist aber falsch.“
Wie wäre es zu schlussfolgern, dass der Auslöser für Amokausraster „gerne“ außerhalb der konsumierten Gewaltbilder liegen mag, der überhöhte Konsum aber die Ursache für Gewaltbereitschaft, Hemmschwellendegeneration und die Vorstellbarkeit des Unvorstellbaren sind. Gerade dass die ständige Flucht in Medienwelten die realistischen Grenzen außer Kraft setzt und das Fantasierte realisierbar und realisiert wird (was im Grunde eben Realitätsverlust bedeutet), ist mit etwas Gehirnschmalz schlussfolgerbar. Nein, nicht jeder Gewaltbild-Massenkonsument wird im Rückschluss Amokläufer. Allerdings führt die Verfügbarkeit von Kinderpornografie im Internet nicht zum „versprochenen“ Triebabbau – ganz im Gegenteil. Was also ist die Legitimation von medialer Gewaltdarstellung im gegenwärtigen Überfluss? […]
„Das (Filmen und Veröffentlichen selbst ausgeübter Gewalt) gehört zum Maskulinitätsbeweis. Die Tat soll sichtbar sein. Sie nutzt ja nichts, wenn niemand sie sehen kann. Und plausibel scheint mir zu sein, dass mediale Vorbilder nahe legen können, die Tat mit der Videokamera zu filmen und ins Internet zu stellen.“
Plausibel scheint mir, dass Ruhm oder Reichtum (bestenfalls natürlich beides) angestrebt waren. Schließlich hat „Bumfights“ (Obdachlose brechen sich gegenseitig für einige Dollar die Knochen oder springen kopfüber in eine Glasscheibe) gezeigt, dass es keine auf Amateure getrimmten Stuntmen mit Mentalschaden à la „JackAss“ und große TV-Sender braucht. Gefilmtes Verprügeln von und mit Dummköpfen bringt Knete und ach so aufgeregte Beiträge in „intellektuellen“ Feuilletons: Ruhm, Ruhm, Ruhm! (Auch für Dschungelcamps, wie die taz kürzlich treffend feststellte.) Weil keine Penner zur Hand waren, haben die Hildesheimer Berufsschüler eben Produktion, Casting, Hauptrollen (natürlich nur die der „Helden“ im eigenen Drehbuch) und Vermarktung selbst gemacht. Das geht weit über den Männlichkeitsbeweis hinaus. […]
FRIEDERIKE WENNER, Braunschweig
betr.: „Hoffentlich null Toleranz für die Täter!“ von Jan Feddersen, taz vom 9. 2. 04
Auch ich bin Opfer der falschen Schulpolitik Deutschlands geworden. Darüber hinaus bin ich auch Opfer von Gewalt an Schulen geworden, die sowohl von meinen Mitschülern, Lehrern und Eltern ignoriert wurde. Trotzdem kann ich Ihren verbalen Wutausbruch in der taz nicht nachvollziehen.
Es ist richtig, dass die Täter selbst Opfer sind und sich auch darauf berufen. Und die Tatsache, dass dies als Argument gegen eine Verfolgung von Straftaten gewertet wird, macht es nicht weniger richtig. Dass in diesem Fall eine Bestrafung angebracht ist, steht außer Zweifel. Aber das macht den Schaden nicht wieder gut, und es verhindert auch keine zukünftige Tat. Im Gegenteil: Wie schon mehrmals festgestellt, erzeugt Gewalt auch immer Gegengewalt und bietet den Tätern eine fundierte Ausbildung zum Schwerverbrecher im Knast. Meiner Meinung nach sind die Verantwortlichen nicht die Ausländerkinder, die keinen anderen Weg im Leben sehen als die Gewalt, sondern die Lehrer, Ausbildungsbetriebe, Eltern und Politiker, die ihnen keinen anderen Weg lassen. […] CHR. KIELHORN, Hamburg