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Gewalt am Horn von AfrikaKenia marschiert in Somalia ein

Nach wiederholten Angriffen der islamistischen Shabaab-Milizen aus Südsomalia über die Grenze schlägt das Nachbarland zurück. Auch US-Spezialeinheiten sollen im Einsatz sein.

Kenia lässt die Waffen sprechen: nach kenianischen Angaben überquerten Truppen des Landes am Sonntag die Grenze zu Somalia. Bild: dpa

BERLIN taz | In den Kampf gegen islamistische Rebellen in Somalia greift jetzt erstmals das Nachbarland Kenia direkt ein. Kenianische Truppen überquerten nach kenianischen Angaben am Sonntag die Grenze nach Somalia. Augenzeugen im Süden des Landes, der komplett unter Kontrolle der islamistischen Miliz al-Shabaab steht, berichteten von Truppenkolonnen in gepanzerten Fahrzeugen und Militärflugzeugen in der Luft.

Kenia "jagt al-Shabaab über die Grenze", erklärte der kenianische Regierungssprecher Alfred Mutua in der Hauptstadt Nairobi. Somalias Regierung erklärte, sie habe die Stadt Qoqani an der kenianischen Grenze besetzt, allerdings ohne kenianische Hilfe. Ein kenianischer Militärhubschrauber stürzte nahe der kenianischen Stadt Liboi ab.

In den vergangenen Monaten haben die Shabaab, denen Verbindungen zu al-Qaida nachgesagt werden, mehrfach in Kenia zugeschlagen. Zweimal wurden europäische Urlauberinnen aus kenianischen Ferieninseln in Grenznähe entführt und nach Somalia verschleppt. Am vergangenen Donnerstag wurden zwei spanische Mitarbeiterinnen des Hilfswerks Ärzte ohne Grenzen aus dem gigantischen Flüchtlingslager Dadaab nahe der somalischen Grenze entführt, wo Hunderttausende somalische Hungerflüchtlinge leben.

"Robuste Maßnahmen"

Auf einer Pressekonferenz am Samstag hatten Kenias oberste Generäle gesagt, die Regierung habe "beschlossen, robuste Maßnahmen zu ergreifen, um die Integrität des Landes und die nationale Wirtschaft und Sicherheit zu schützen". Ein Eingreifen in Somalia sei als Akt der Selbstverteidigung von der UN-Charta gedeckt, sagte George Saitoti, Minister für Innere Sicherheit. Zwei Schnellboote aus Somalia wurden noch am gleichen Abend in kenianischen Gewässern beschossen und drehten um. Auch US-Spezialkräfte sollen an der Grenze im Einsatz sein.

Der kenianischen Tageszeitung Daily Nation zufolge ist das Ziel der Militärintervention, einen 100 Kilometer breiten Grenzstreifen in Somalia ohne Shabaab-Präsenz zu schaffen. Somalias Regierung wird innerhalb des Landes bereits von einer Friedenstruppe der Afrikanischen Union (AU) geschützt, die von Uganda und Burundi gestellt wird.

Die AU-Truppe hat dafür gesorgt, dass die somalische Hauptstadt Mogadischu jetzt fast vollständig unter Regierungskontrolle steht. Allerdings forderte ein Selbstmordanschlag in einem Regierungskomplex mitten in der Stadt erst vor zwei Wochen über 80 Tote, und nach somalischen Medienberichten gab es gestern früh vier Schwerverletzte bei der Explosion von zwei Landminen an der Basis der burundischen AU-Truppen in Mogadischu.

Kampf gegen "blutrünstigen Feind"

Die Shabaab riefen als Reaktion auf den kenianischen Einmarsch zum Kampf gegen den "blutrünstigen Feind" auf, der "unser heiliges Land betreten hat", und auch gegen seine "somalischen Apostaten, die ihm helfen".

Shabaab-Sprecher Ali Mohamed Ruge sagte, wenn Kenia sich nicht aus Somalia zurückziehe, "gehen wir nach Kenia. Shabaab-Militäreinheiten aus dem südsomalischen Hafen Kismayo waren gestern unterwegs in die 120 Kilometer entfernten Stadt Afmadow, um sich den Kenianern entgegenzustellen. Somalias Regierung wiederum äußerte die Hoffnung, bald Kismayo selbst und damit den wichtigsten Handelshafen der Shabaab erobern zu können.

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5 Kommentare

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  • R
    Rizo

    Es ist schon beschämend, dass kenianische Soldaten hier die Kastanien aus dem Feuer holen müssen.

     

    Die Situation in Somalia ist untragbar; sie könnte mit einem konsequenten und schnellen Eingreifen durch NATO-Truppen (oder von mir aus gut ausgebildeter Söldnereinheiten) schnell und somit relativ unblutig beendet werden - so wie bei der britischen Intervention in Sierra Leone ("Operation Palliser" im Jahre 2000).

    Wie so oft wird bei afrikanischen Konflikten tatenlos zugesehen wie Millionen Menschen verhungern und/oder massakriert werden; der Rest der Welt versteckt sich hinter dem Feigenblatt der "Nichteinmischung in innere Angelegenheiten" und der "Wahrung staatlicher Souveränität"...wie in Ruanda, wie im Kongo, etc. pp.

  • V
    vic

    "Auch US-Spezialeinheiten sollen im Einsatz sein"

    Das glaube ich gerne, keine Schlacht ohne die USA

  • RM
    ray Manzotto

    Oh, hoppla, amerikanische Spezialkräfte sollen beteiligt sein. Da wird die Wahrheit wohl als erstes auf der Strecke bleiben. Hat jemand gesehen, dass es diese beknackten Milizen waren, die da in Kenia Leute entführen? Oder waren es ein paar gewöhnliche Wegelagerer (soll es in Somalia ja geben), die den Amis, ähh, pardon, den Kenianern nun den Grund zum Einmarsch gelifert haben? Gegen "al kaida", irgendwie?

    Also hier meine Prognose: die Kenianer, die nur eine undisziplinierte afrikanische Pfeiffentruppe mehr sind, werden es gründlich versieben, was dann den Einsatz amerikanischer und europäischer Truppen leider unumgänglich macht, Engländer und Franzosen tipp ich mal. Ein weiterer Krieg in irgendeiner anderen Wüste. Für die Humanität natürlich. Gegen... ach, egal. Viel Spaß allerseits.

  • C
    cassini1

    Den "Shabaab"-Milizen werden nicht nur "Verbindungen zu Al-Qaida nachgesagt". Sie bekennen sich ganz offen zum gewaltsamen Jihad, mit allen Folgen für die Bevölkerung: Wer nicht für sie ist, der muss um sein Leben fürchten. Wer sich nicht an ihre Regeln hält ebenfalls. Armes Land...

  • W
    Webmarxist

    Die Regierung von Kenia sollte lieber die Hungersnot in der Bevölkerung bekämpfen, anstatt gegen die Shaabab-Milizen. Denn Gewalt erzeugt Gegengewalt und die Milizen müssen ihrerseits mit ihren Angriffen aufhören. Die Menschen in Kenia und Somalia brauchen jetzt Hilfe und keine Kämpfe zwischen Kenia und den Shababab-Milizen.