Gesunkene "Roland": Der vermeidbare Untergang

Die Hansekogge hätte gerettet werden können. Doch dafür wurde die Feuerwehr zu spät hinzugezogen – das gemeinsame Einsatzboot liegt bei der Polizei.

Vom Wahrzeichen zum Holzhaufen: die Kogge nach ihrer Tauchfahrt. Bild: Michael Bahlo

Hilflos liegt die havarierte Hansekogge am Hohentorshafen – an Land, wohlgemerkt. Ob sie je wieder lossegelt, ist mehr als ungewiss. Zu groß ist der finanzielle Schaden, den ihr Untergang im Januar verursachte. Es ist ein Untergang, der möglicherweise vermeidbar war. Das wird deutlich, wenn man die Ereignisse der Nacht des 28. Januar minutiös rekonstruiert.

„Ort: Bremen-Innenstadt, Weserufer Höhe Schlachte. Zeit: 28. 01. 14, 03.00 Uhr“. Mit diesen Koordinaten beginnt die Pressemitteilung der Polizei, in der sie das Sinken des hanseatischen Wahrzeichens vermeldete. Im Einsatzprotokoll geht es sogar um Sekunden: „Um 02:59:29 Uhr“ habe ein Zeuge der Polizei gemeldet, dass die Kogge Schlagseite habe. Eine Streifenwagenbesatzung habe daraufhin „unverzüglich“ Unterstützung durch die Wasserschutzpolizei und die Feuerwehr angefordert. Aber: „Da sich auf dem Deck bereits Wasser befand“, habe das Sinken trotz des Einsatzes der um 03:24 eingetroffenen „Bremen 1“, des gemeinsamen Einsatzbootes von Polizei und Feuerwehr, nicht mehr verhindert werden können. Was in der Pressemitteilung über den Polizeieinsatz 7637 nicht steht: Auf diesem „gemeinsamen Einsatzboot“ befanden sich ausschließlich Polizisten – für die das Bedienen von Lenzpumpen nicht zum Kerngeschäft gehört.

Dabei ist die erst vor einem Jahr in Dienst gestellte „Bremen 1“ mit beeindruckenden technischen Kapazitäten ausgestattet. Eine Nijhus-Kreiselpumpe zieht 14.000 Liter pro Minute, weitere 1.000 Liter schafft eine kleinere Elektropumpe. Aus Sicht der Polizei scheiterte das Lenzen aber keineswegs am Finden von Einschaltknöpfen, sondern am Faktor Zeit. Um 3.03 Uhr wurde die Wasserschutzpolizei laut Einsatzprotokoll informiert, 21 Minuten brauchte die „Bremen 1“ vom Europahafen an die vier Kilometer entfernte Schlachte. Ist das eine angemessene Frist? „Das war sogar sehr schnell und zügig“, heißt es hierzu aus dem Präsidium. Die diensthabende Besatzung in diesem Fall sei schon am Liegeplatz gewesen. Wenn sie sich erst von ihrem Inspektionsgebäude in der Daniel-von-Büren-Straße auf den Weg machen müsse, oder sich gar mit der „Lesmona“, einem der anderen Polizeiboote, beispielsweise in Bremen-Nord befinde, könne ein Eintreffen der „Bremen 1“ am Einsatzort um ein Vielfaches länger dauern.

Die „Bremen 1“ ist Deutschlands erstes Kombi-Boot, es wird von Polizei und Feuerwehr gemeinsam genutzt. Bei der feierlichen Indienstnahme des 4,5 Millionen Euro teuren Fahrzeugs erkannte Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) in dieser Doppelnutzung nicht nur Sparpotenzial – sondern sogar einen „Modellcharakter für künftige Ersatzbeschaffungen in den Häfen Europas“.

Am mittelalterlichen Hafen Bremens, der Schlachte, beförderte dieses Modell mitsamt seiner Kompetenz-Überschneidungen allerdings den Untergang der Hansekogge. Denn als die Feuerwehr, die laut eigenen Angaben erst „um 03:44 Uhr durch die Wasserschutzpolizei“ informiert wurde, zur Stelle war, konnte auch sie nichts mehr ausrichten – auch nicht mit den beiden Bordkränen, die immerhin jeweils 1,2 Tonnen halten. „Als wir eintrafen“, gab Feuerwehr-Einsatzleiter Michael Siemers im Januar zu Protokoll, „war das Schiff schon gesunken“.

Warum wurde die Feuerwehr nicht früher einbezogen? Das Polizeipräsidium verweist auf einen Einsatzbericht, demzufolge die Feuerwehr nicht erst eine Dreiviertelstunde nach der Erstmeldung, sondern „schon“ 25 Minuten nach dieser informiert worden sei. Hier steht Einsatzprotokoll gegen Einsatzprotokoll. Allerdings sind auch 25 Minuten bei Sinkvorgängen nicht unerheblich.

Tatsache ist, dass die „Bremen 1“ bei der Polizei im Europahafen liegt. Der Feuerwehr sitzt am Hohentorshafen am anderen Weserufer. Sie hat kein eigenes Boot dieser Größenordnung mehr, da die „Bremen 1“ als Ersatz für das ausgemusterte Feuerlöschboot „FLB 1 Bremen“ angeschafft wurde – mit klarer erster Zuordnung zur Polizei. „Das Boot steht im Alltag der Wasserschutzpolizei für ihre Aufgaben zur Verfügung“, heißt es unmissverständlich aus dem Innenressort – zu denen keine Pumpeinsätze gehören. Im Bedarfsfall, so das Einsatzkonzept, werden die Fachleute der Feuerwehr mit an Bord des Bootes genommen, das symbolträchtig sowohl in Blau als auch Rot lackiert ist. Was in der Nacht vom 28. Januar jedoch nicht geschah.

„Bei erster Betrachtung“ gebe die Feuerwehr mit dieser Rollenverteilung „ein Stück Selbstständigkeit auf“, gab Oberkommissar Ingo Biniok bei der feierlichen Schiffstaufe durch seine Kollegin von der Wasserschutzpolizei zu. Aber „rein faktisch“ könnten „alle polizeilichen und feuerwehrtechnischen Einsatzszenarien mit der ,Bremen 1‘ deutlich schneller, effektiver und sicherer durchgeführt werden als bisher“.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.