Schiffbruch mit Zuschauern: Roland unter Wasser
In der Nacht zum Dienstag versank aus bisher unbekannter Ursache der Nachbau der historischen Kogge. Nur noch der Mast ragte bei Hochwasser heraus
BREMEN taz | Dagegen kamen die Zeugen Jehovas nicht an. Unter der Teerhofbrücke hatten sie gestern Vormittag ihre Tafeln aufgestellt, doch die vielen Menschen, die dort an der Schlachte herumstanden, interessierten sich nicht dafür, was wirklich in der Bibel steht. Dafür war der Anblick der Hansekogge zu faszinierend: Von dem Nachbau eines Mittelalter-Schiffs ragte bei Hochwasser nur noch der Mast aus der Weser. Der gesamte Schiffskörper lag unter Wasser, festgemacht an seinem Winterliegeplatz an der Schlachte.
Um halb vier in der Nacht zum Dienstag habe er den Anruf erhalten, dass die „Roland von Bremen“ untergegangen sei, erzählt Harro Koebnick, leitender Mitarbeiter beim Eigner „Hal Över“, der Firma, der auch die Sielwallfähre und einige Ausflugsschiffe gehören. Eine halbe Stunde zuvor hatte sich ein Zeuge bei der Polizei gemeldet, er habe das Sinken der Kogge beobachtet. Weder die Wasserschutzpolizei noch die Feuerwehr konnten das Untergehen verhindern.
Wie und wann das Schiff geborgen werden kann, stand gestern bei Redaktionsschluss noch nicht fest. „So schnell wie möglich“, sagte Harro Koebnick von Hal Över. „Dann können wir das Schiff noch retten.“ Dabei sei das Holz nicht das Problem, das würde ein paar Tage unter Wasser überleben. Die Elektronik, der Motor und weitere Einbauten hingegen seien weniger robust.
Gestern Abend beim für 19 Uhr erwarteten Niedrigwasser hoffte Koebnick besser erkennen zu können, wie das Schiff geborgen werden kann. Von Vorteil ist, dass die historische Kogge mit einem flachen Boden so gebaut ist, „dass sie sich auch in den Schlick legen konnte ohne umzufallen“, wie Hal Över schreibt. Dennoch wurde sie gestern zusätzlich gesichert. Außerdem wurden Ölsperren gelegt, um Verunreinigungen durch möglicherweise austretende Kraftstoffe zu verhindern.
Wie es dazu kam, dass Wasser in das Schiff laufen konnte, war gestern noch unklar. Erst am Vortag sei ein Mitarbeiter an Bord gewesen und habe nichts bemerkt, sagte Koebnick. Die Kogge liege seit ihrem letzten Auslaufen im Herbst an ihrem Platz an der Schlachte.
Die Roland von Bremen wurde von 1996 bis 2000 mit Geld vom Senat, der Bundesagentur für Arbeit und der Europäischen Union als Beschäftigungsprojekt gebaut. Seit dem Konkurs der Werft Bootsbau Vegesack gehört sie Hal Över. Sie ist einer von drei Nachbauten einer Kogge, deren Wrack 1962 vor Rablinghausen im Weserschlick gefunden worden war. Sie wurde auf das Jahr 1380 datiert und steht im Deutschen Schifffahrtsmuseum in Bremerhaven.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Bundestagswahlkampf der Berliner Grünen
Vorwürfe gegen Parlamentarier