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GesundheitsreformRösler verteidigt die Pauschale

Der FDP-Gesundheitsminister verteidigt weiter sein Vorhaben einer Pauschale für die Versicherten. Die Opposition wirft ihm deshalb vor, er haben kein Verständnis von Solidarität.

Nachdenklicher Gesundheitsminister im Bundestag: Das Defizit der Krankenkassen soll im kommenden Jahr bis zu 15 Milliarden Euro betragen. Bild: dpa

BERLIN taz | Zum Abschluss einer für Philipp Rösler turbulenten Woche hat der FDP-Gesundheitsminister seine Reformpläne im Bundestag verteidigt. Die Kosten für das Gesundheitssystem von der Arbeit abzukoppeln sei richtig, sagte Rösler in der Generaldebatte zum Haushalt. Auch den Einstieg in die von Arbeitnehmern unabhängig von der Einkommenshöhe zu zahlende Kopfpauschale nahm er in Schutz: "Wer das bestehende System noch solidarisch nennt, hat es nicht verstanden", sagte er.

Rösler unterstrich zugleich seine Pläne, die immer weiter steigenden Kosten in den Griff zu bekommen und die Industrie durch Zwangsrabatte an der Sanierung der Krankenversicherung zu beteiligen: "Wir werden schnell wirksame Instrumente einsetzen wie Preismoratorien und verpflichtende Rabatte."

Die Opposition kritisierte Rösler. Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Elke Ferner bezeichnete den von Schwarz-Gelb geplanten Sozialausgleich als weder finanzierbar noch organisierbar - allein die Versicherten müssten die Kostensteigerungen tragen. "Welches Verständnis von Solidarität haben Sie? Keins!", sagte Ferner in der Debatte.

Mit Unterstützung von sieben weiteren Bundesministern hatte Rösler am vergangenen Mittwoch die Arbeit der Regierungskommission zur Gesundheitspolitik aufgenommen. Die Herausforderungen für den Niedersachsen sind dabei offenbar noch größer als erwartet: Bei dem Treffen hatte der Präsident des Bundesversicherungsamtes, Maximilian Gaßner, das Defizit der Krankenkassen für das nächste Jahr auf bis zu 15 Milliarden Euro geschätzt - vier Milliarden mehr als nach den bis dahin aktuellen Schätzungen.

Bestätigen sich diese Zahlen, müssten die zusätzlich zu den Sozialabgaben von Arbeitnehmern erhobenen Beiträge auf über 20 Euro steigen. Bereits seit diesem Jahr verlangen viele Kassen einen Zusatzbeitrag von acht Euro von den Versicherten, um die Kosten zu decken. "Zusatzbeiträge sind auch eine kleine Kopfpauschale", kritisiert die Gesundheitsexpertin der Grünen, Biggi Bender, "die Regierung weiß nicht, was sie will".

In der Regierung gilt die Situation mittlerweile als festgefahren, da die FDP auf die Einführung der Pauschale pocht, die CSU sie aber ablehnt. Als Kompromiss wird vermehrt eine Pauschale im niedrigen Euro-Bereich diskutiert, ein entsprechendes Papier aus dem Gesundheitsministerium hatte zu Beginn der Woche für Spekulationen gesorgt. Danach sollte eine Pauschale von 29 Euro eingeführt und sollten die Arbeitnehmerbeiträge zugleich um 0,9 Prozentpunkte abgesenkt werden. Doch auch dies macht die CSU offenbar nicht mit: Auch eine Kopfpauschale im niedrigeren Bereich verletze "das grundlegende Prinzip des Sozialstaats", sagte der bayerische Gesundheitsminister Markus Söder.

Bis zur Sommerpause will die Regierungskommission Antworten auf die strittigen Fragen erarbeiten, das nächste Treffen findet am 21. April statt. Die Generaldebatte im Bundestag endete am Freitagmittag - die um Gesundheitspolitik hat wohl erst begonnen.

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8 Kommentare

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  • W
    Wolfgang

    "KLARTEXT: Zusatzbeitrag unumgänglich" - ihre Krankenkasse!

     

    Schreiben der City-BKK mit Datum vom "24. März 2010" - "Versand 12. April 2010 n. Genehmigung BVA", Posteingang am 17. April 2010.

     

    "Ohne Zusatzbeitrag geht es nicht" - City BKK

     

    Ein Auszug:

     

    "Nach anfänglich positiven Meldungen aus der Politik wissen der Verwaltungsrat und ich als Vorstand der CITY BKK jetzt, dass wir bei weiterhin steigenden Leistungsausgaben mit deutlich weniger Einnahmen auskommen müssen. Wir bedauern diese Entwicklung, aber dies ist die politisch gewollte Logik des Gesundheitsfonds. Konkret bedeutet das, dass auch wir ab dem 1. April 2010 einen Zusatzbeitrag in Höhe von 8 € pro Monat benötigen." - "Nutzen Sie doch einfach die vorbereitete Einzugsermächtigung." - (...)

     

    "Ihr Vorstand" der Krankenkasse

  • FV
    Franz von Hahn

    @Majo: Der Sozialstaat Bismarckscher Prägung ist aber nicht die alleinige Sozialstaatsoption. Das Gesundheitssystem soll medizinische Versorgung sicherstellen. Für den Sozialstaat (hier mal nur als Umverteilungsmechanismus verstanden) gibt es ja extra das übrige Steuer- und Trasfersystem. Wenn man Umverteilung von A nach B schiebt verschwindet sie nicht. Und da steuerliche Umverteilung (als B) auch Mieten, Pachten, Zinsen, Spekulationsgewinne etc. erfasst sollte jedem klar sein, dass eine Gesundheitsprämie (vulgo: Kopfpauschale) eher dem Gerechtigkeitssinn der deutschen Bürger entspricht als das jetzige System.

     

    Ein weiterer netter Punkt an dem "Kopfpauschalen"- System ist, dass langfristig, wenn dann mal (irgendwnn) die ganzen Umverteilungsregeln und Familienangehörigenbegünstigungen weggefallen sind, eine echte Konkurrenz auch zu privaten Kassen möglich ist. Wettbewerb ist das beste Mittel um Verwaltungskosten zu senken.

  • I
    Irritiert?

    Wenn eine Reform bedeutet die Abgaben zu senken und gleichzeitig eine Kopfpauschale für jederman zu erheben, schüttet man das Kind mit dem Bade aus. Der Geringverdiener wird es danken.

     

    Warum sich an wirkliche Probleme wie zb. die Verwaltungskosten oder Pharmaindustrie rantrauen, wenn man mal wieder einfach dem Bürger das Geld in die eine Tasche reinstecken und aus der anderen Tasche gleich wieder rausziehen kann.

    Das ist dann ein bürgerfreundlicher Fortschritt.

     

    Ich bin irritiert.

  • MM
    mit Majo

    "Auch eine Kopfpauschale im niedrigeren Bereich verletze "das grundlegende Prinzip des Sozialstaats", sagte der bayerische Gesundheitsminister Markus Söder."

     

    Da hat er Recht: Kopfpauschale, Kopfsteuer, Kopfgeldjäger, das erinnert alles an für eine Handvoll Dollar, tot oder lebendig, Hauptsache es wird gezahlt.

  • C
    claudia

    >>Die Kosten für das Gesundheitssystem von der Arbeit abzukoppeln sei richtig, sagte Rösler...

  • A
    aso

    Wenn Rösler die Kosten senken will, sollte er sich das System in Finnland ansehen.

     

    Dort gibt es keinen Hausarzt an jeder Ecke. Wer was hat geht in eine Klinik, dort in der Aufnahme, wie vorher schon telefonisch wird von Krankenschwestern aussortiert,

    bevor man überhaupt einen (teuren) Arzt sieht. Es ist kostengünstig und funktioniert.

    Leider ist kaum davon auszugehen, daß sich Rösler als FDP-Mann gegen die Lobbyisten durchsetzen kann...

  • W
    wolfgang

    Wenn man es so aus der CSU-Ecke sieht, dann hätte man doch bemerken müssen, daß die Praxisgebühr die grundlegenden Regeln des Sozialstaats auch verletzt. Herr Rösler könnte da einen ersten Pluspunkt in der öffentlichen Meinung machen, indem er diese unsägliche Erfindung streicht bzw. in die Pauschale einarbeitet.

  • FV
    Franz von Hahn

    Herr Rösler hat recht. Wer das jetzige System solidarisch nennt hat es in der tat nicht verstanden.

     

    Die Kopfpauschale/Gesundheitsprämie ist nicht nur ein Fortschritt, was die Endkoppelung von Arbeitskosten uns Gesundheitssystem angeht, sondern auch, was die Effizienz der Umverteilung angeht.

     

    Bisher wird innerhalb des Subsystems öffentlicher Krankenkassne munter hin- und her verteilt. Wohlgemerkt nur innerhalb der Gruppe der dort Versicherten. Kinderreiche und Verheiratete profitieren, außerdem durch die Koppelung an Löhne natürlich auch niedrige Einkommen. Allein, die hohen Einkommen außerhalb des Kreises der Versicherten werden nicht belastet.

     

    Die Umverteilung sollte im Steursystem stattfinden. Genau, wie es der Minister vorschlägt. Steuern werden auf alle Einkommen veranschlagt, egal, ob sie Arbeitnehmer mit Einkommen unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze oder nicht. Die Krankenkassen sollen das Gesundheitswesen finanzierenm. Das ist ihre Aufgabe. Für die Umverteilung haben wir extra ein Steuer- und Transfersystem. Die Umverteilung in das allgemeine Steuer- und Transfersystem einzubetten ist sehr sozial.

     

    Außerdem hat die Endkopplung von Arbeitskosten und Sozialsystemfinanzierung den netten Nebeneffekt Arbeit billiger zu machen. Je billiger Arbeit ist, desto eher lohnen sich Einstellungen, desto geringer ist die Arbeitslosenquote.

     

    Der Vorschlag ist also in doppelter Hinsicht sozial und trägt zur Übersicht im Umverteilungs-Dschungel bei. Ich versthe gar nicht, wie man das Konzept als solches als verantwortungsvoller Bürger oder Politiker kritisieren kann. Sonnenklar, das es CSU/SPD und so weiter nur darum geht sich oberflächlich als Gutmenschen hinzustellen. Das das besonders einfach ist, wenn irgendein Vorschlag vobn der FDP kommt ist selbsterklärend...

     

     

     

     

     

     

     

     

    Ein Kopfpauischale ist deshalb sehr solidarisch/sozial, weil