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■ Gesundheitsreform: Auf die Patienten will niemand hörenZank als Programm

Wenn es um die Gesundheitsreform geht, fliegen die Schlagzeilen tief: „Ärzte leiten heißen Herbst ein“, „Bedenken gegen Patientenkartei“, „Ärzte verzichten auf Notrezepte“, „Ärzte fordern Notrezep- te“ ... Die Patienten, Beitragzahler und Versicherten sind dieser Tagen zahlreichen Stressfaktoren ausgeliefert: Wer sich ernsthaft mit Fragen, Störungen und Problemen von Politikern, Ärzten und Standesvertretern beschäftigt, muss bei der Lektüre eines Zeitungsartikels zum Thema etwa 6.000 Entscheidungen treffen. Solche Entscheidungsdichte ist nur noch mit der von Fluglotsen vergleichbar, aber die können sich wenigstens an klar definierte Kriterien halten.

In der Gesundheitsdebatte dagegen gibt es keine klare Linie. Ärzte, Krankenkassen und Politiker werfen Nebelkerzen mit sperrigen Namen: Monistik, Referenzwerte, Globalbudget. Niemandem gelingt es, sie zu einem schlüssigen Konzept zu verbinden. Zudem spricht jede Gruppe mit verschiedenen Stimmen. Da liegen sich die Ärztevertreter der Länder mit ihrer Bundesorganisation in den Haaren, der Sozialexperte der SPD leistet sich einen Dauerstreit mit der grünen Gesundheitsministerin. Die Protagonisten des Gesundheitswesens führen Veitstänze auf. Mittlerweile täglich. Da helfen keine guten Ratschläge – sie wollen einfach nicht zu sich kommen.

Den Ärzten wird bewusst, dass eine Reform auch ihre aufgeblähten Strukturen verändern würde. Sie müssten ihre Verwaltungs- und Besitzstandswahrungsgremien, Kassenärztliche Vereinigungen genannt, abspecken. Deswegen blöken deren regionale Fürsten ihre eigene Bundesorganisation an. Politiker wie Rudolf Dreßler, SPD, wollen im nächsten Jahr eine Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen gewinnen. Mögliche Einsparungen im Krankenhausbereich lassen sich da schlecht verkaufen. Und Andrea Fischer kriegt mit, wie löchrig ihr Reformentwurf gestrickt wurde: mangelnder Datenschutz bei der Patientenkartei, Regressansprüche, die nicht durchsetzbar sind ...

Nur einer bleibt ungehört im Lärm der Interessen: der Patient. Er alimentiert zwar die Diskutanten mit seinen Krankenkassenbeiträgen und Steuern, aber um seine Meinung wird er deswegen noch lange nicht gebeten. Die gewachsenen Strukturen der Interessengruppen und das Gerede darum interessieren Patienten nur mäßig. Viel wichtigter ist die Frage: Wie viel Gesundheit können und wollen wir uns öffentlich noch leisten? Es wäre höchste Zeit, auf diese Frage eine Antwort zu geben. Annette Rogalla

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