piwik no script img

Gesundheitskarte-KommentarAlles auf eine Karte

Sabine am Orde
Kommentar von Sabine am Orde

Die neue Gesundheitskarte hätte auch Vorteile für die Patienten: die ganze Krankengeschichte auf einen Blick. Allerdigs birgt sie Risiken - auf Daten sind alle scharf.

I m kommenden Frühjahr soll mit der Ausgabe der elektronischen Gesundheitskarte begonnen werden: Mit dieser Ankündigung macht das Gesundheitsministerium Druck. Zwei Jahre Verspätung hat man bereits. Vor der nächsten Bundestagswahl aber soll das gigantische IT-Prestige-Objekt endlich von einer Hängepartie in eine Erfolgsgeschichte verwandelt werden. Schließlich hat Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) sonst ja nicht allzu viele Erfolge zu vermelden.

Sabine am Orde ist Redakteurin im Inlands-Ressort der taz

Die ehrgeizigen Pläne könnten der Ministerin aber wieder mal auf die Füße fallen. In den Testregionen heißt es, der neue Zeitplan sei nur realistisch, wenn ab sofort alles glattlaufe. Damit aber ist kaum zu rechnen. So besteht die Gefahr, dass eine unausgegorene Version der Gesundheitskarte ausgegeben wird, die in der Praxis nicht richtig funktioniert. Das wäre teuer und würde die Akzeptanz der Karte bei Patienten und Ärzten weiter schmälern. Mit Grausen wird sich mancher an die Pannen bei der Einführung des Mautsystems "Toll Collect" erinnern.

Dabei birgt die neue Karte für den Patienten durchaus Chancen. Erstmals kann seine gesamte Krankengeschichte in einer Akte eingesehen werden. Das macht eine ganzheitliche Betrachtung möglich und kann Doppeluntersuchungen und falsche Medikation vermeiden helfen. Dazu muss der Patient allerdings seine Einwilligung geben, denn die Speicherung der Patientenakte mittels Karte erfolgt freiwillig. Den gläsernen Patienten wider Willen soll es nicht geben. Trotzdem bleibt ein datenschutzrechtliches Risiko.

Gesammelte Daten wecken stets Begehrlichkeiten, auch das hat das Beispiel Toll Collect gezeigt. Kaum war es eingeführt, forderten Innenpolitiker, die erhobenen Daten für die Verbrechensbekämpfung zu nutzen. Auch Patientendaten sind für viele interessant: für Politiker, Arbeitgeber, Krankenkassen oder die Pharmaindustrie. Bislang, betonen Datenschützer, sind die Daten vor dem Zugriff Dritter geschützt. Das kann sich aber durch neue gesetzlichen Regeln verändern - oder durch einen gezielten Hackerangriff. Wer dieses Risiko ausschließen will, dem bleibt nur eines zu tun: die Einwilligung zur Speicherung seiner Patientenakte zu verweigern.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Sabine am Orde
Innenpolitik
Jahrgang 1966, Politikwissenschaftlerin und Journalistin. Seit 1998 bei der taz - in der Berlin-Redaktion, im Inland, in der Chefredaktion, jetzt als innenpolitische Korrespondentin. Inhaltliche Schwerpunkte: Union und Kanzleramt, Rechtspopulismus und die AfD, Islamismus, Terrorismus und Innere Sicherheit, Migration und Flüchtlingspolitik.
Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • DW
    Dietmar Wahl

    "Den gläsernen Patienten wider Willens wird es nicht geben..."

     

    Nein ?

     

    Freiwillig bzw. zustimmungspflichtig ist nur die sogen. Krankenakte, die im medizinischen Alltag höchstens in Einzelfällen Vorteile bieten könnte, häufig aber irre führen kann.

     

    Dafür über 7 Milliarden Installationskosten aus dem Gesundheitsetet zu investieren ist mit nichts zu rechtfertigen.

    Das ist verglichen fast 1/3 der Geldmenge, die für alle Medikamente in der BRD innerhalb eines Jahres ausgegeben werden.

     

    Nicht freiwillig - sondern per Gesetz und Zwang - soll sein das elektronische Rezept.

    Alle Rezeptdaten sollen online über externe Server (der Krankenkassen ?) laufen und auch gespeichert werden.

     

    Da braucht man keine (freiwillige) Krankenakte mehr !

     

    Quizfragen an alle Nichtmediziner:

    Wem ich ein Bluthochdruckmittel verschreibe, hat welche Diagnose ?

    Wem ich ein Potenzmittel verschreibe, hat was ?

    Wem ich ein Mittel gegen Blutzucker..., Demenz, Schizophrenie... verschreibe, hat welche Diagnosen ?

     

    Viel Spaß bei Bewerbungen im Öffentlichen Dienst, beim Abschluß von Versicherungen, bei der Auswahl von Krankenkassen, beim Antrag auf ein Führungszeugnis für Führerschein, Jagdschein, bei der Lehrstellensuche, und, und und ...

     

    Die Anwendung dieser eCardTechnik in Kombination mit TollCollect, neuer Steuernummer, Telekommunikationsdatenspeicherung ... ist der Weg in eine totale Überwachung. Orwell schrieb damals ein nettes Kinderbuch !

     

    MfG,DW

  • GT
    Gabi Thiess

    Ein Hausarzt hat in der Regel alle Arztberichte seines Patienten in der Akte oder auf seinem PC. Es ist doch völlig unrealistisch zu glauben - ob nun in der Praxis oder am PC via Internet - sich sämtliche Untersuchungsbefunde eines chronisch Kranken Patienten anzusehen. Was sollte sich durch das Speichern meiner Daten auf einem Server denn verbessern? Er muss sich auch da durch einen Wust der Arztberichte durcharbeiten. Und einen besseren Medikamentenabgleich - daran glaube ich nicht. Wir Patienten werden zu Datenkörpern gemacht - der Mensch ist nicht mehr wichtig.

  • DS
    Dieter Siewertsen

    Vor langer Zeit gab es viel Gegenwehr gegen die Volkszählung. Was auf den Servern der Krankenkassen einst gespeichert werden wird, umfaßt ein vielfaches. Nach dem Speichern kommt das Auswerten und da werden wir schon sehen... Der scheinbare Nutzen, den die Pr-Agenturen der IT-Branche ausweisen, ist am grünen Tisch erdacht. Praktisch wird es so nicht kommen. Weder werden die Patienberichte vollständig sein, noch wird es zu einem besseren Medikamentenabgleich kommen. Darum geht es auch gar nicht. Das ist der Bonbon fürs Volk. Machen Sie sich mal bei den Ärzteverbänden schlau, schauen Sie mal in die IT-Berichte, z.B. bei heise-security, lesen Sie mal die Berichte des Chaos-Computer-Clubs zum Thema.Bitte!