Gesundheit und Ideologie: Impfkontrolle bei Waldorfs

Nach Masernausbruch an Waldorfschule kontrolliert das Gesundheitsamt die Impfpässe. Über die Hälfte ist ungeimpft oder verweigert die Auskunft.

Erst nach zwei Masernimpfungen kann von einem Impfschutz ausgegangen werden. Bild: dpa

BREMEN taz | Nach der Masern-Erkrankung von sechs SchülerInnen an einer Bremer Waldorfschule Ende August hat sich das Gesundheitsamt die Impfausweise aller 424 SchülerInnen vorlegen lassen. 71 KlassenkameradInnen der Erkrankten, die dies verweigerten oder keine Impfung nachweisen konnten, mussten mindestens zwei Wochen zu Hause bleiben. Dies bestätigte der Leiter des Gesundheitsamts, Eberhard Zimmermann, der taz. Am Dienstag hatte Gesundheitssenator Hermann Schulte-Sasse über den mittlerweile eingedämmten Masernausbruch die Gesundheitsdeputation informiert.

„Es ist unsere gesetzliche Pflicht bei einem Ausbruch, nicht geimpften Kindern ein Schulverbot zu erteilen“, sagte Zimmermann. Dazu sei es notwendig gewesen, die Impfdokumente zu kontrollieren. Ein Sprecher des Gesundheitssenators sagte, über die Hälfte aller SchülerInnen habe keinen Impfschutz nachweisen können. An Nicht-Waldorfschulen dürfte dies anders aussehen: Laut einer Statistik des Robert-Koch-Instituts hatten im Jahr 2011 insgesamt 92,1 Prozent aller neu eingeschulten Kinder in Deutschland die zweite Masernimpfung erhalten – erst nach dieser kann von einer Immunität ausgegangen werden. In Bremen war es ein Prozentpunkt weniger.

Bundesweit nehmen die Masernfälle seit Beginn dieses Jahres stark zu. In Bremen wurde im vergangenen Jahr gar keine Masernerkrankung dokumentiert, in diesem Jahr wurden bisher mit den betroffenen SchülerInnen acht gemeldet. Der letzte größere Ausbruch in Bremen mit 34 Personen liegt nach Auskunft der Gesundheitsbehörde zehn Jahre zurück. Alle Erkrankten waren entweder selbst an einer Waldorfschule oder hatten Kontakt zu dieser. Ob es sich um dieselbe Schule handelt, konnte der Behördensprecher nicht sagen.

Um weitere Erkrankungen zu verhindern, sagte die Leitung der Schule an der Touler Straße das diesjährige Sommerfest ab. Außerdem bot das Gesundheitsamt Bremen den verbliebenen nicht geimpften Schülern eine sofortige Impfung in der Schule an. Dieses Angebot hätten jedoch nur zehn SchülerInnen angenommen, sagte der Leiter des Gesundheitsamts.

Viele Schüler hätten sich jedoch nachträglich bei ihren ÄrztInnen impfen lassen, sagt die Geschäftsführerin der Waldorfschule, Susanne Rupprecht. „Der Ausbruch hat viele Eltern zum Umdenken bewogen.“ Vorschreiben könne sie den Eltern eine Impfung jedoch nicht. Die meisten hätten sich ganz bewusst gegen eine Impfung entschieden. Die Eltern müssten dann aber damit leben, dass ihr Kind bei einem Ausbruch über mehrere Wochen nicht in die Schule darf und zu Hause betreut werden muss. Das hätten einige nicht sofort eingesehen.

Zu einer Masernimpfung raten selbst als impfkritisch bekannte Kinderärzte, wie der bekannte Homöopath und Buchautor Martin Hirte. „Man hat auch eine soziale Verantwortung“, sagt er. Weil nicht mehr wie vor Beginn des Masern-Impfprogramms im Jahr 1973 nahezu alle Kinder erkranken, haben heute viele Erwachsene keinen Impfschutz mehr. Auch Säuglinge sind stärker gefährdet, weil ihre Mütter keine Antikörper weitergeben können. Bei beiden Gruppen steigt die Gefahr für lebensbedrohliche Komplikationen.

Der Bremer Gesundheitssenator Hermann Schulte-Sasse sagte in der Gesundheitsdeputation, er halte es für „absolut verantwortungslos und unverständlich“, wenn Eltern ihre Kinder nicht impfen ließen. Von einer Impfpflicht, wie sie der Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr gefordert hatte, hält er jedoch nichts. Der Vorsitzende der Bremer Kinder- und Jugendärzte, Stefan Trapp, glaubt, dass Eltern Angst hätten, die Verantwortung für eine Impfung zu übernehmen. „Viele befürchten an möglichen Auswirkungen einer Impfung später schuld zu sein“, sagt er.

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