Gestohlene BND-Baupläne: Innen-Experten bezweifeln Brisanz
Während die einen von einem dramatischen Vorfall sprechen, winken andere ab. Die verschwundenen Baupläne der BND-Zentrale können laut Innen-Experten gar nicht so wichtig sein.
BERLIN dpa/dapd | Innen-Experten von SPD und Grünen zweifeln die Brisanz der möglicherweise gestohlenen Baupläne der neuen Zentrale des Bundesnachrichtendienstes (BND) in Berlin an. "Bei einem Projekt von der Dimension, wie es der BND-Neubau ist, sind doch selbstverständlich zahlreiche Kopien von Bauplänen im Umlauf, im Grunde braucht jeder Polier auf der Baustelle ein Exemplar davon", sagte der SPD-Politiker Michael Hartmann der Berliner Morgenpost.
"Die Tatsache, dass die Karten eben nicht als streng geheim eingestuft worden sind, lässt mich zweifeln, ob die Informationen wirklich so sensibel sind", sagte Hartmann, der auch Mitglied des Parlamentarischen Kontrollausschusses für die Geheimdienste ist. Dennoch sei das aber "ein gravierender Vorgang, der der Aufklärung bedarf".
Der Innen-Experte der Grünen, Wolfgang Wieland, sagte der Berliner Morgenpost: "Das BND-Gebäude wird ja zu einer Stadt in der Stadt mit all den geplanten Sicherheitsvorkehrungen. Da ist es natürlich peinlich, wenn ein Exemplar der Baupläne abhandenkommt. Dass deshalb aber gleich alles neu gebaut werden muss, wage ich zu bezweifeln."
Die Bundesregierung untersucht mit Hochdruck einen möglichen Diebstahl sensibler Baupläne von der Großbaustelle, über dem das Magazin Focus berichtet hatte. Regierungssprecher Steffen Seibert sprach am Montag von einem ernstzunehmenden Vorgang.
Mögliche Konsequenzen für BND-Präsident Uhrlau
Laut Focus geht es um Baupläne, deren Großteil das "Herzstück" des neuen Gebäudes zeige: das Technik- und Logistikzentrum. Aus den Darstellungen lasse sich die Funktion der Räume, die Mauerdicke, die Lage von Sicherheitsschleusen und Notausgängen bis hin zu Toiletten lesen. Die Pläne sollen demnach schon vor über einem Jahr von der Baustelle geschmuggelt worden sein, möglicherweise durch einen beauftragten Bauunternehmer.
Der Vorgang löste auch Kritik in der Unionsfraktion aus. Der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), sprach im Kölner Stadt-Anzeiger von einem "ganz gravierenden Vorgang". Der BND mache gemeinhin "auf alles den Stempel streng geheim. Dass die nicht mal geheime Pläne sicher aufbewahren können, das ist schon beachtenswert."
Der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Dieter Wiefelspütz, sagte dem Kölner Stadt-Anzeiger ebenfalls: "Der Sachverhalt muss aufgeklärt werden." Derlei Informationen gehörten "nicht auf den öffentlichen Markt". Er könne sich allerdings "vorstellen, dass das schlicht Schlamperei ist", so der SPD-Politiker, "und zwar in dem Sinne, dass die Unterlagen verschwunden, aber nicht unbedingt in China sind".
Die Affäre um verschwundene Baupläne könnte für den Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes, Ernst Uhrlau, persönliche Konsequenzen haben und zu einer vorzeitigen Abberufung führen. Das berichtet die in Halle erscheinende Mitteldeutsche Zeitung unter Berufung auf führende Koalitionskreise. Das Verschwinden der Papiere allein sei nicht das Problem, heißt es in den Kreisen. "Aber wenn Uhrlau versucht haben sollte, das Verschwinden zu vertuschen, dann hat er ein Problem." Der BND-Präsident wird im Dezember 65 Jahre alt. Die Suche nach einem Nachfolger ist schon seit einiger Zeit im Gange.
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