Gestern im Gericht: Ausflug nach Astana
■ Gebühren & Bakschisch für kasachische Pässe in Bremen
Kasachstan muss ein schönes, aber sehr armes Land sein. Deshalb kommen immer mehr Kasachen aus Mittelasien ins achtmal so kleine Deutschland. Hier haben sie offenbar mindestens ein großes Problem: Das kasachische Konsulat scheint mit den Pässen rumzuzicken. Neue ausstellen, alte, noch aus Zeiten der UdSSR stammende verlängern oder sich um die Ausbürgerung kümmern, wenn die Kasachen Deutsche geheiratet haben. Aus diesem Grund hatte sich in Bremen das „Klaus M. Reisebüro“ darauf spezialisiert, sich um die Formalitäten zu kümmern. Hier scheint jedoch auch nicht immer alles mit rechten Dingen zugegangen zu sein.
Deshalb waren gestern Rimma M. und Botagoz O. angeklagt, zwischen 1997 und dem vergangenem Jahr in 25 Fällen Summen von 250 bis 3.690 Mark für Passformalitäten kassiert zu haben, ohne tatsächlich Leistungen erbracht zu haben. Außerdem sollen die beiden Schwestern in zehn weiteren Fällen unechte Urkunden angefertigt oder Pässe gefälscht haben. Fest steht: In 35 Fällen legten die Kasachen viel Geld auf den Tisch, um an ordnungsgemäße Pässe zu kommen. Passiert ist wenig: Ihre Pässe muss-ten sie oft gegen weitere „Gebühren“ selbst in Bremen abholen, Schecks platzten, heute ist der Vermittlungsdienst pleite. Rimma M.'s Mann Klaus, der für den „Klaus M. Reisedienst“ seinen Namen hergab und als Ehemann gerade stehen muss, sitzt auf Schulden in Höhe von 73.000 Mark. Er sagt: „Das sind Schulden, die die Damen gemacht haben!“
Rimma M. hatte vor vier Jahren in Bremen den „Klaus M. Reisedienst“ gegründet. Zuerst verkaufte sie Reisen, nach und nach spezialisierte sie sich auf Konsularsgänge für ihre Landsleute. Dabei soll jede Menge Bakschisch an das Konsulat in Hannover geflossen sein – sagen Rimma M. und ihre Schwester. Als Beweis wurden Quittungen präsentiert: Anstatt einer „Konsulardienstgebühr“ in Höhe von zum Beispiel 150 Mark und einem mutmaßlichen Gewinn in Höhe von 1.740 Mark, wie auf dem Beleg verzeichnet, sei es tatsächlich „genau umgekehrt“ gewesen: Das Konsulat habe die höhere Summe als „Schmiergeld“ kassiert, für die Kasachinnen seien nur die 150 Mark geblieben.
Außerdem habe das Konsulat, so Rimma M., eines Tages 50.000 Mark gefordert, damit das Reisebüro weiter vermitteln darf. Gezahlt habe sie 25.000 Mark. Rimmas Mann Klaus M.: „Als das Konsulat mit der Erpressung angefangen hat, sagte ich ihr: ,Mach Schluss mit dem Scheiß!'“
Ob die Schmiergelder tatsächlich geflossen sind? Ein Vertreter des Konsulats war trotz mehrmaliger Aufforderung gestern nicht im Amtsgericht erschienen – inzwischen sitzt bereits der zweite Nachfolger des betroffenen Konsuls in Hannover. Richter Hans Ahlers: „Da bräuchten wir eine Dienstreise nach Astana“ – das ist die frisch von Alma Ata verlegte Hauptstadt des Steppenstaates.
Ahlers hatte es ohnehin nicht leicht. Rimma M. verlor sich in umständlichen Ausreden, auf viele Fragen des Richters antwortete sie nur sehr ungenau. Wie die betroffenen Kasachen tatsächlich um ihr Geld betrogen worden sind, werden erst die Zeugenbefragungen der nächsten Tage klären. Rimma M.s Schwester Bogatoz O. hatte Glück: Da sie nur nebenbei beim Vermittlungsservice arbeitete, wurde sie gegen Zahlung von sechs Raten à 100 Mark auf freien Fuß gesetzt. ksc
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