piwik no script img

Gespannte Ruhe in Natal

■ Der Notstand läßt viele Fragen offen

Durban (taz) – Die drei Männer neben der Barrikade aus alten Eisenblechen und Bettgestellen wagen sich vorsichtig hinter einigen Bäumen hervor. „Es ist ruhig aber ziemlich gespannt“, sagt einer. Er trägt ein Schildchen mit dem Foto von ANC-Präsident Nelson Mandela auf seinem weißen Hemd. „Ja“, sagt er, „die Soldaten sind vor einer Stunde hier lang gekommen.“

Plötzlich verdrücken sich die drei im Gewirr der Häuser des Schwarzenviertels KwaMashu bei Durban. Statt Soldaten springen ein paar hundert Meter entfernt auf einem Hügel KwaZulu-Polizisten aus einem vergitterten Lastwagen. Einige sind uniformiert und tragen G 3-Sturmgewehre der deutschen Firma Heckler & Koch.

Das ist Natal einen Tag nach der Verhängung des Notstands. Laut offiziellen Angaben sollen bisher 500 Soldaten der südafrikanischen Armee in die von Gewalt erschütterte Provinz entsandt worden sein. Ihre Zahl ist so gering, daß sie kaum ins Gewicht fallen. Aber in Natals Townships und Dörfern, in denen seit Anfang März rund 300 Menschen der politischen Gewalt zum Opfer fielen, herrscht eine seit langem unbekannte Ruhe. Das Tragen von Metallröhren, Autoreifen, Steinen, Speeren und Knüppeln bei Demonstrationen ist nun verboten. In der Vergangenheit war dieses Sammelsurium als „traditionelle Waffen“ erlaubt.

Phillip Powell, weißer Warlord der konservativen Schwarzenbewegung Inkatha, muß jetzt sein Ausbildungslager Mtubatuba in der Nähe des Umfolozi-Nationalparks dichtmachen. Der Notstand verbietet jede Art von militärischem Training, und Powell, einst Mitglied von Südafrikas berüchtigter Sicherheitspolizei, bildete während der letzten Monate insgesamt 5.000 Inkatha-Kämpfer aus.

Sollte auch die Polizei des in Natal liegenden Homelands KwaZulu in ihre Kasernen ziehen müssen, wie dies Mandela bereits meint, wäre die Schmach für Mangosuthu Buthelezi, Inkatha-Führer und Chief Minister in KwaZulu, komplett. Er dürfte zwar weiter amtieren, aber seine Polizei würde ihm genommen. „Der Notstand“, so erläuterte Buthelezi am Donnerstag abend denn auch bebend vor Zorn im Fernsehen, „wirkt auf uns so, als ob einer eine Frau festhält, damit jemand anders sie vergewaltigen kann. Der Notstand wird die Emotionen unserer Anhänger noch mehr anheizen.“

Buthelezis Gefolgsleute wurden in Natal längst „First Class Zulus“ getauft: Sie versuchen, diejenigen der 8,5 Millionen Zulus, die zum ANC tendieren, unter Einsatz von Gewalt davon abzuschrecken, zur Wahl zu gehen, die Inkatha boykottiert. „Wir haben den Notstand verhängt“, rechtfertigte sich Staatspräsident Frederik W. de Klerk denn auch am Donnerstag, „um freie und demokratische Wahlen in Natal zu ermöglichen.“ Buthelezi höhnte dagegen: „Wo hat es schon einmal freie und demokratische Wahlen in einem Notstand gegeben.“ Laut de Klerk waren für die kommenden Wochen massive Sabotageakte geplant; „Recht und Ordnung“ seien in Natal zusammengebrochen, und mittels des Notstands solle nun wieder Ruhe einkehren. Der ANC applaudierte laut.

Der Staatspräsident versuchte, seine anderen Landsleute zu beruhigen: „Bleiben Sie ruhig, Sie brauchen die Supermärkte nicht leerzukaufen. Wir haben alles unter Kontrolle.“

Aber Experten zweifeln, ob Südafrikas Streitkräfte dafür genügend Soldaten unter Waffen haben. 20.000 Soldaten und Polizisten, so schätzt etwa der Südafrika- Korrespondent der renommierten Jane's Defence Review, Helmut Heitman, seien dafür in Natal nötig. Der letzten Einberufung von 3.000 weißen Reservisten aber folgten ganze elf Südafrikaner. Am kommenden Dienstag müssen die Streitkräfte sich der ersten Herausforderung stellen. Inkatha will in der Stadt Empangeni eine Demonstration mit 60.000 Teilnehmern veranstalten – normalerweise finden solche Protestmärsche mit den jetzt verbotenen „traditionellen Waffen“ statt. Willi Germund

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen