Gesichter der japanischen Katastrophe II: Sprecher im Blaumann
Yukio Edano ist der Überbringer furchtbarer Nachrichten. Der Regierungssprecher ist dabei auf die Infos der Betreiberfirma angewiesen. Er ist mehr als nur ein Sprecher.
Die Welt bekommt dieser Tage in erster Linie von ihm die offiziellen Nachrichten der dreifachen Katastrophe in Japan überbracht. Yukio Edano, der aussieht wie ein japanischer Sigmar Gabriel, trägt die schrecklichen Nachrichten rund um die Uhr meist mit stoischer Ruhe vor. Er ist neben Premierminister Naoto Kan zum Gesicht der Katastrophe geworden.
Unermüdlich, doch inzwischen sichtbar übermüdet, tritt der 46-jährige Edano in einem silberblauen Arbeitsanzug zu jeder Tages- und Nachtzeit vor die Kameras. Sein Blaumann, wie ihn im uniformverliebten Japan Techniker tragen, soll Tatkraft und Sachverstand ausstrahlen.
Doch auch Edano ist meist auf Tepco, den Betreiberkonzern des Reaktorkomplexes Fukushima Daiichi, angewiesen. Und die Konzernangaben waren früher schon oft falsch und sind auch im Moment widersprüchlich. Sie vermitteln den Eindruck, dass selbst Tepco nicht mehr genau weiß, was in seinen Reaktoren wirklich vor sich geht.
Ob Tepco die Regierung umfassend informiert, ist unklar. So sprach Edano als Erster von einer Kernschmelze im Reaktor 1, was er bald wieder zurücknahm, um später von der Möglichkeit einer teilweisen Kernschmelze zu sprechen. Zugleich dementierte er eine volle Kernschmelze.
Edano ist trotz seines für japanische Verhältnisse jungen Alters weder ein Anfänger noch bloß einfacher Sprecher. Er ist in der Regierung von Naoto Kan seit Januar Leitender Kabinettssekretär, also eine Art Kanzleramtsminister, der die Arbeit der Regierung koordiniert und deshalb im Zentrum der Macht sitzt. Zugleich ist er als Staatsminister auch für Okinawa und die nördlichen Territorien zuständig.
Edano könnte Karriere machen
Edano studierte Jura, arbeitete kurz als Anwalt und wurde 1993 erstmals ins Parlament gewählt. 1996 beteiligte er sich an der Gründung der heute regierenden Demokratischen Partei (DP). Er leitete eine Kommission zur "Erneuerung der Verwaltung", war ein halbes Jahr bis zu verlorenen Teilwahlen zum Oberhaus DP-Generalsekretär und jetzt Anfang März sogar kurzzeitig kommissarischer Außenminister. Edano ist ohne Frage ein Schwergewicht in der japanischen Politik geworden. Er könnte, wenn die Regierung sich in der Katastrophe nicht blamiert, eines Tages sogar Premierminister werden.
Momentan sieht es so aus, als bekomme er immerhin schon Kultstatus. Dazu dürfte neben seinem Blaumann die sichtbare Erschöpfung beitragen. Denn weil sich inzwischen viele Japaner um seine Gesundheit sorgen, gibt es im Microbloggingdienst Twitter unter dem Hashtag #edano_nero (etwa: Edano, geh ins Bett) unzählige Sympathiebekundungen für ihn. Sie fordern den übermüdeten Regierungssprecher auf, doch endlich mal an seine eigene Gesundheit zu denken und etwas zu schlafen.
Am Dienstag meldete Tweets schließlich, Edano habe nach 105 Stunden Dauereinsatz mal geschlafen. Kurz darauf stand die rechte Hand des Premierministers wieder vor den Kameras, um neue schreckliche Nachrichten bekannt zu geben.
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