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Gesetzentwurf zur SterbehilfeZu viel Macht für Psychiater

Barbara Dribbusch
Kommentar von Barbara Dribbusch

Abgeordnete mehrerer Parteien wollen die Sterbehilfe neu regeln. Dabei werden diejenigen, die assistierten Suizid in Betracht ziehen, entmündigt.

Der neue Gesetzesentwurf zur Sterbehilfe könnte kontraproduktiv sein Foto: Martin Wagner/imago

D er Gesetzentwurf zum ärztlich begleiteten Suizid ist keine gute Idee, den Abgeordnete um Ansgar Heveling (CDU), Lars Castellucci (SPD) und Kirsten Kappert-Gonther (Grüne) erarbeitet haben. Der Entwurf sieht vor, dass die „geschäftsmäßige Förderung“ der Suizidhilfe wieder unter Strafe gestellt werden soll.

Dieses Verbot soll dann nicht greifen, wenn sui­zid­wil­lige Personen unter anderem an zwei Beratungsgesprächen mit Psych­ia­te­r:innen teilnehmen, die den Sui­zid­wil­ligen eine „autonome Entscheidungsfindung“ attestieren und eine psychische Erkrankung als Ursache des Sui­zid­wunsches ausschließen. Sterbehilfeorganisationen müssten dem gleichen Beratungskonzept folgen, andernfalls würden sie kriminalisiert.

Dass Suizidwillige ihren Sterbewunsch vor nicht selbst ausgewählten Psych­ia­te­r:in­nen rechtfertigen müssen, könnte die „Autonomie“ der Patienten womöglich aber gar nicht schützen, sondern – im Gegenteil – verletzen.

Denn was passiert, wenn die Psychiaterin, die den Patienten gar nicht näher kennt, zum Schluss kommt, dem Sterbewunsch läge eine Depression zugrunde? Wenn also vorgeschlagen wird, es erst einmal mit Psychotherapie und Pillen zu versuchen? Wenn also an der „Freiverantwortlichkeit“ der Sui­zid­wil­ligen gezweifelt wird? Die begutachtenden Fach­ärz­t:in­nen bekämen zu viel Macht. Eine Beratung schwerstleidender Suizidwilliger sollte immer freiwillig sein.

Die Abgeordneten haben womöglich vor allem hochbetagte Menschen im Blick, die sterben wollen, weil sie völlig eingeschränkt und pflegeabhängig sind, zwar keine großen Schmerzen haben, aber auch keine Lebensqualität mehr verspüren. Diese Suizide aus „Lebenssattheit“ machen nur einen Bruchteil der Fälle bei den Sterbehilfeorganisationen aus, aber es gibt sie. Sie hätten es mit dem Gesetzentwurf schwerer, ärztliche Hilfe beim Suizid zu erhalten. Doch auch die Autonomie dieser Menschen ist zu respektieren. Genau in diesem Sinne hatte das Bundesverfassungsgericht übrigens geurteilt, als es das grundsätzliche Verbot der Sui­zid­as­sis­tenz vor zwei Jahren kippte.

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Barbara Dribbusch
Redakteurin für Soziales
Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).
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16 Kommentare

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  • Das ist der Geist, der auch der § 218 atmet. Erst einmal etwas unter Strafe stellen und dann Ausnahmen formulieren, wo die Strafbewehrung nicht gilt. Und die Hürden werden hier noch höher gesetzt, als bein genannten § 218, wo frau nur nachweisen muss, dass frau beraten wurde, und ein Schutzfrist zum Bedenken eingehalten werden muss. Hier muss gleich zwei Berater*innentermine eingeholt werden und das Ergebnis von denen bewertet werden. Wahrscheinlich arbeiten schon andere daran mit einem §217a daran, jede Information auf den Seiten von Psychiatern, dass sie solche Gutachten erstellen, als "Werbung" zu verbieten. Mein Körper, meine Entscheidung - Kampfspruch der Liberalen und Linken beim §218, hier nicht? Und bei der Debatte §218 wird heftig kritisiert, wenn dessen Befürworter*innen argumentieren, die Frau könnte unter Druck gesetzt werden und dann keine eigene Entscheidung treffen, aber hier, bei den Alten hält man dies für möglich? Ich bin gespannt, wie das Verfassungsgericht entscheiden wird.

  • Die Vorteile der modernen Medizin haben einen Nachteil gebracht. Der Kranke stirbt nicht mehr weil die Medizin nicht am Leben halten kann. Bei vielen Sterbehilfen drängt sich mir aber der Verdacht auf, dass manchmal die Hilfe zum Suizid unnötig wäre. Die Überprüfung ob die Assistenz zum Suizid notwendig ist, erscheint mir daher hohe Hürden zu rechtfertigen. Psychiater sollten da sehr gut für eine Beurteilung geeignet sein. Ich kann mir heute nicht vorstellen einen Suizid zu begehen, daher bete ich dafür einen schnellen Tod zu erleiden, wenn die Zeit gekommen ist. Ich würde auch ungern die Verantwortung für die "Assistenz" beim Suizid an einen Mitmenschen übertragen. Falls ich mich für einen Suizid entscheide, fände ich es wichtig mich selbst darum zu kümmern. Eine Möglichkeit selbst keinen Suizid leisten zu können, sehe ich da in meiner Behandlungsvollmacht.

  • Ein nicht gerade einfaches Thema. Pro und contra halten sich hier schon in der Waage.



    Denn es kann ja durchaus sein das dem Sterbewunsch tatsächlich eine bisher unbehandelte/ unentdeckte Depression oder sonstige psychische Erkrankung zugrunde liegt. Was ist mit dem Mißbrauch einer freizügigen Sterbehilfe durch bspw. Erben,die Betroffene dazu manipulieren könnten.Oder wenn "Alte" ,stark Hilfebedürftige,unheilbar Kranke, Patienten deren Behandlung als zu teuer angesehen wird ,usw.,zukünftig dem sozialen Druck unterliegen würden "freiwillig" aus dem Leben zu scheiden, um nicht mehr "egoistisch" der Sozialgemeinschaft auf der Tasche zu liegen?



    Mit einer "kontrollierten" Sterbehilfe wäre es auch möglich die mögliche Kommerzialisierung der Sterbehilfe im Rahmen zu halten. Die Autorin schreibt selber in einem anderen Artikel (taz.de/Debatte-um-Sterbehilfe/!5746840/ ):"Passiert nichts, sind die Betroffenen nach wie vor auf Sterbehilfevereine angewiesen, die Gebühren bis zu 10.000 Euro für ihre Dienste verlangen und mit eigenen Mischungen aus legalen Medikamenten arbeiten. "



    Fünfstellige Gebühren dürften mehr als nur die Selbstkosten abdecken!

  • Wenn man von der erwarteten zunehmenden Altersarmut und der Zunahme von Suiziden im Alter ausgeht, wird das in Zukunft wohl immer öfter passieren. Wenn zum Beispiel Armut der Grund für Depressionen ist, helfen auch keine Pillen oder es gibt die volle Dröhnung. Die Situation wird sich nicht ändern. Auch Isolation kann zu Depressionen im Alter führen. Eine Senioren Bastelgruppe ersetzt nicht unbedingt tiefe Freundschaften und gute Gespräche. Ich war oft in Westafrika und musste feststellen das Alte dort viel aktiver an der Gesellschaft teilhaben und mehr Lebensfreude haben. Sie sind nicht isoliert. Wenn ich am Altersheim bei mir um die Ecke vorbeikomme und durch die Scheibe den Essens- und Aufenthaltsraum sehe, gruselt es mich. Nur Alte. Kaum aktivierende Impulse von außen. Da bekommt man nur von schauen Depressionen. Ich möchte selbst entscheiden ob ich meine letzten Tage so verbringen will oder nicht.

  • 0G
    05989 (Profil gelöscht)

    Selbst wenn der Vorschlag mit der psychiatrischen Gewissensprüfung diskutabel wäre, bleibt das Problem, dass der Zweig hoffnunglos überrannt wird von Patienten, die Kapazitäten hinten und vorne nicht reichen und die Kassen das Angebot künstlich verknappen, um den Block der psychischen Erkrankungen nicht zu teuer werden zu lassen.

    Zynisch, in so einer Situation zu sagen: "Bevor dir jemand bei einem schmerzlosen Suizid helfen darf, begib dich in die Niederungen der ambulanten Versorgung!"

    Da werden die meisten Suizidanten ihren Krankheiten erlegen sein bevor sie die Hürden für eine würdevolle Abkürzung genommen haben.

    Das ist widerlich...

  • 4G
    49732 (Profil gelöscht)

    Ganz schön viel Mißtrauen gegenüber des Berufsstandes des Psychiaters!

    • @49732 (Profil gelöscht):

      Es fängt doch schon damit an, dass ein Psychiater kein Psychologe ist, sondern Mediziner.

    • 0G
      05989 (Profil gelöscht)
      @49732 (Profil gelöscht):

      Vielleicht ist Misstrauen ein Missverständnis: Der Psychater trägt in dem Fall ja auch Verantwortung und ist möglicherweise mit Haftungsfragen oder sogar Strafverfolgung konfrontiert.

      Man kann sich mit den Fingern einer Hand ausrechnen, dass viele Psychater solche Fälle gleich ablehnen oder vorsichtshalber abschlägig bescheiden.

    • @49732 (Profil gelöscht):

      Ja klar, es gibt solche und solche... ich habe vor einiger Zeit das Machwerk von Erwin Ringel gelesen (Suizid als Folge eine krankhaften Entwicklung), auf das sich heute immer noch viele Psychiater berufen. Von so jemandem möchte ich nicht meine inneren Motive zwangsbegutachten lassen.

  • Vor allem: Was ist denn, wenn die Depression an nicht mehr zu ändernden, äußeren Umständen liegt? Wenn man depressiv ist, weil man immobil und von ständigen Schmerzen geplagt ist, wenn man depressiv ist, weil man in allem vollständig von Fremden (Pflege, Essen usw.) abhängig ist und durch seine schiere gesundheitliche Situation auch keine Freude mehr im Leben hat, nur noch wartet, dass es zu Ende geht?

    Warum wird immer wieder vorausgesetzt, dass der Mensch erst eine Weile, je nach Situation Tage, Wochen, Monate oder sogar Jahre, leiden müsse, bevor er stirbt?

    Selbst im Krankenhaus, wenn jeder weiß, dass der Patient mit hoher Wahrscheinlichkeit dort sterben wird und nur noch leidet (Schmerzen, Angst), wird oft noch gewartet, bis man endlich Morphium bekommt. Bei meiner Oma war das, nach 10 Tagen mit Dauerschmerzen, Wasser in der Lunge, nicht mehr heilbarem Bruch, erst am späten Nachmittag vor ihrer letzten Nacht der Fall. Davor lag sie 8 Tage mit ziemlich starken Schmerzen, aber Hoffnung, und zwei Tage mit unerträglichen Schmerzen und dem Wunsch, es möge jetzt zu Ende gehen, im Krankenhaus.

    Wie zynisch ist es denn, jemandem, für den es wirklich aufgrund von Alter und Krankheit keinen Ausweg, keine Aussicht auf Besserung und nur noch Qualen gibt und der daraufhin natürlich psychisch leidet, zu erklären, aufgrund dieses psychischen Leidens müsse er seine Situation halt weiter ertragen?

    Übrigens Aussage einer Physiotherapeutin zu jemandem, der unerwartet mit einer Beinamputation und Bettlägerigkeit konfrontiert wurde: "Manchmal muss man Depression auch einfach akzeptieren." Also: Es wurde noch nicht mal Therapie in Betracht gezogen!

    • @BlauerMond:

      Psychiater werden eigentlich u.a. darin ausgebildet zwischen endogenen Depressionen und solchen aus anderen Ursachen zu unterscheiden.Das ist deren fachliche Domäne!



      Eine Physiotherapeutin hingegen hat da eigentlich nichts zusagen und entscheidet zumindest offiziell nicht über die Therapie,da sie nur medizinisches (Hilfs)Personal aber keine Ärztin ist. Gegebenenfalls also darüber beschweren.

      • @Mustardmaster:

        Es sollte eigentlich nur noch Psychologische Psychotherapeuten geben. Der ärztliche Psychater ist ein Anachronismus bei dem sogar erst seit ein paar Jahren eine Psychotherapeutenausbildung zum Facharzt-Titel dazugehört. Die Älteren versuchen alles mit Tabletten zu kurieren...

  • Mit scheint man will hier dem Wortlauf des Urteils folgen ohne dem Urteil in der Sache zu folgen.

    Grundsätzlich verboten ist es nicht ... die Betroffenen müssen nur die Unterschrift ihrer Eltern beibringen...nicht wahr ?

    • 0G
      05989 (Profil gelöscht)
      @Bolzkopf:

      Die Erben müssen alle einverstanden sein! ;)

      • @05989 (Profil gelöscht):

        Ups - da hab ich was falsch verstanden. Dachte die Eltern ...

      • @05989 (Profil gelöscht):

        Die Erben würden wahrscheinlich nicht viel dagegen haben, diese Eigenschaft bald zu erreichen.