piwik no script img

Gesetzentwurf zum HomeofficeMöglichkeit statt Pflicht

Aus der Union gibt es ein Eckpunktepapier zu mobiler Arbeit. Es ist ein Gegenentwurf zu den Plänen von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD).

Das Arbeiten vom heimischen Schreibtisch aus wurde für viele plötzlich Alltag Foto: HalfPoint/DEEPOOL/palinpicture

Berlin taz | Die Coronapandemie hat die Arbeitswelt im Eiltempo verändert: Onlinekonferenzen und das Arbeiten vom heimischen Schreibtisch aus wurde für viele Ar­beit­nehmer:in­nen plötzlich zum neuen Alltag. Laut einer Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung arbeiteten im April 2020 – also mitten im Lockdown – 23 Prozent der Beschäftigten überwiegend von zu Hause aus. 2018 gaben nur 5,3 Prozent der Beschäftigten an, mindestens die Hälfte der Tage zu Hause zu arbeiten. Doch viele Fragen sind noch ungeklärt: Wo verwischt die Grenze zwischen Arbeit und Privatsphäre? Oder: Wer trägt welche Kosten?

Am Dienstag stellte Thomas Heilmann, Vorsitzender des Arbeitskreises Zukunft der Arbeit der Unionsfraktion im Bundestag, ein Eckpunktepapier zu dem Thema vor. Der Vorstoß soll Arbeit­nehmer:in­nen im Home­office mehr „Selbstbestimmung und Flexibilität“ bei den Arbeitszeiten zusichern – die gesetzlichen wöchentlichen Höchstarbeitszeiten sollen aber unberührt bleiben. Dies soll die Vereinbarkeit zwischen Beruf und Familie verbessern.

Zudem sollen Versicherungslücken beim Unfallversicherungsschutz geschlossen werden. „Wenn ich vom Home­office meine Kinder wegbringe und wieder zurückkomme und es passiert ein Unfall, muss das geregelt sein“, sagte Heilmann. Das Papier sieht vor, dass Ar­beit­neh­mer:in­nen im Homeoffice künftig „im gleichen Umfang Versicherungsschutz genießen wie bei einer Tätigkeit in der Unternehmensstätte“.

Außerdem geht es um steuerliche Entlastungen. So soll der Arbeitgeber etwa den Beschäftigten im Homeoffice Kosten steuerfrei ersetzen dürfen, selbst wenn einzelne Elemente wie ein Breitbandanschluss auch privat genutzt werden. Weiter sollen Arbeitgeber:innen Fortbildungen zum Selbstmanagement anbieten und finanzieren. Co-Working-Spaces sollen öffentlich gefördert werden.

Wo verwischt die Grenze zwischen Arbeit und Privatsphäre? Wer trägt die Kosten?

Dieses Papier ist zwar innerhalb der CDU/CSU-Bundestagsfraktion noch nicht abgestimmt, doch Heilmann betonte, dass es bereits großen Konsens gebe. Fest steht zudem: Dieser Plan ist ein Gegenentwurf zu dem Vorstoß von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), der ein Recht auf Homeoffice durchsetzen wollte, aber am Widerstand der Union scheiterte.

Heil hatte Anfang Oktober einen eigenen Gesetzentwurf angekündigt. Dieser sollte Ar­beit­neh­mer:in­nen bei einer Vollzeitstelle künftig einen Rechtsanspruch auf 24 Tage Home­office im Jahr zusichern – sofern keine betrieblichen Gründe dagegensprechen und die Tätigkeit dafür geeignet ist. Nach Heils Ankündigung hagelte es jedoch Kritik aus der Union und der Wirtschaft.

Der Dissens zwischen Union und SPD bleibt beim Thema Homeoffice also weiter groß. Die Union möchte keinen Rechtsanspruch auf Homeoffice. Sie möchte mobiles Arbeiten ermöglichen, aber „nicht verpflichten“. „Das Recht auf Homeoffice an zwei Tagen hilft niemanden, außer dass es zusätzliche Bürokratie schafft“ sagte Heilmann. Wegen der grundlegenden Differenzen sieht er keine Lösung in dieser Legislaturperiode. Dabei hatten sich CDU, CSU und SPD bereits vor der Coronapandemie im Koalitionsvertrag darauf geeinigt, dass ein rechtlicher Rahmen für mobile Arbeit geschaffen werden soll. Hubertus Heil wollte auf taz-Nachfrage den Vorstoß aus der Union nicht kommentieren.

SPD-Fraktionsvize Katja Mast stützt weiterhin den Vorstoß vom Bundesarbeitsminister: „Bei mobiler Arbeit gilt es die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu stärken. Wir brauchen eindeutige Entscheidungswege in den Betrieben. Das ist der Geist des Gesetzentwurfs von SPD-Minister Hubertus Heil.“ Corona habe mobile Arbeit Alltag werden lassen und könne vieles erleichtern. „Wenn es betrieblich geht, soll jede und jeder sie in Anspruch nehmen dürfen. Genau das sichert der Vorschlag von Hubertus Heil zu und setzt dabei klare Grenzen. Denn mobiles Arbeiten darf die Grenzen zwischen Erwerbsarbeit und Privatleben nicht auflösen. Feierabend ist Feierabend“ sagte Mast der taz.

Kritik am Vorstoß aus der Union kam von Anja Piel, Vorstandsmitglied beim Deutschen Gewerkschaftsbund: „Arbeit im Homeoffice braucht vernünftige Leitplanken. Dieser Wurf von der Seitenlinie liefert sie schon mal nicht. Vielmehr wären solche Inhalte zum Nachteil der Beschäftigten.“ Geltende Arbeitszeitregeln müssten weiter Bestand haben, Arbeits- und Gesundheitsschutz müsse den Beschäftigten garantiert werden. „Die allermeisten Beschäftigten leisten im Homeoffice mehr als sie müssen und das auch unter widrigsten Umständen. Wir streiten für bessere Bedingungen“, sagte Piel.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Auch wenn Corona den Fortschritt beschleunigt hinken wir Deutschen doch mal wieder hinterher!

    Während andere Länder, gerade in Nordeuropa deutlich weiter sind und bereits vor Corona mehr als 10% Homeoffice hatten (siehe hier homeoffice-einrich...hause-einrichten/) muss in Deutschland erst eine Seuch kommen und dann wird das trotzdem blockiert!

    Was soll das eigentlich? Und dann passiert nämlich genau das was immer passiert und mich schon immer nervt:



    - Nutznießer sind ein paar gut bezahlte Menschen in großen Unternehmen, die ohnehin schon mehr Lohn bekommen als die in kleinen Unternehemen



    - Und die kleineren Unternehmen "schei*** drauf", da man den armen Mitarbeiter ja ackern lassen kann, am besten vor Ort dass es auch kontrolliert werden kann.

    Warum ist das denn so schwer!? ich verstehe es nicht....

    • @mccc12:

      Naja, immerhin hat man [bzw. die Fabrikbesitzer] zu Beginn der Industriealisierung die Arbeiter mit Knüppeln in die Fabriken getrieben.



      Da will man kaum zurückrudern ...



      Und Heimarbeit ist ja nun auch nicht grade ein Paradebeispiel für menschenwürdige Arbeitsbedingungen.

      Aber das Rad der Zeit hat sich weitergedreht - trotz der Konservativen die um jeden Preis versuchen die "alten Werte" am Leben zu halten.

  • Typisch CDU - denn hier vertut man die einmalige Chance durch die Vermeidung von Autoverkehr im großen Stil CO2 einzusparen.

    Grüne vor! Leeeeegt an ...

  • Jede Maßnahme, die tatsächlich dem Schutz der Bevölkerung dient, wird von der "Union" verlässlich sabotiert zugunsten von irgendwelchen Showeinlagen.