Gesetz zur Lieferkettenkontrolle: Kosten vor Recht
Mehr Schutz für Umwelt und Menschenrechte soll es geben. Doch vorläufig sollen nur Großunternehmen in der Pflicht stehen. Und das auch erst ab 2023.
D ie Menschenrechte sind universell, sie gelten für alle, weltweit. Nicht selten allerdings stehen sie nur auf dem Papier. In der Wirtschaft werden sie oft nicht durchgesetzt, weil die Firmen im Zuge der Globalisierung aus dem nationalen Rechtsrahmen ausbrachen und ihre Produktion weltweit verteilten. Das Lieferkettengesetz, auf das sich die Bundesregierung nun grundsätzlich geeinigt hat, ist ein Schritt zur nachholenden juristischen Globalisierung und Durchsetzung eben dieser Rechte.
Nach den Fabrik-Katastrophen in Pakistan und Bangladesch 2012 und 2013, bei denen über tausend Beschäftigte starben, hat sich aus christlicher Überzeugung vor allem CSU-Entwicklungsminister Gerd Müller für das Gesetz stark gemacht. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) holte er auf seine Seite. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) wehrte sich jahrelang, weil viele Wirtschaftsverbände und Unternehmen protestierten. Sie stöhnen zurecht.
Denn der wirksamste Hebel im Gesetz ist das bessere Klagerecht für Bürgerrechtsorganisationen und Gewerkschaften, die ausländische Arbeiterinnen und Arbeiter künftig vor deutschen Gerichten vertreten dürfen. Diese Möglichkeit werden Misereor, Brot für die Welt oder Germanwatch zu nutzen wissen. Jeder Prozess vermehrt nicht nur den Druck auf die Firmen, sondern verspricht Öffentlichkeit und Spendeneinnahmen.
Auch dass mit dem Bundesamt für Wirtschaft eine Behörde für die Kontrolle des Gesetzes zuständig ist, dürfte seine Wirksamkeit erhöhen – wenngleich dies von den Ressourcen und dem Willen der Institution abhängt. Trotzdem brauchen die Firmen sich nicht zu beschweren. Altmaier hat viele Kompromisse herausgeholt, die ihnen das Leben mit dem Gesetz erleichtern. So müssen sie es erst in ein paar Jahren umsetzen, es gilt nur für die rund 3.000 größten Unternehmen und ihre wichtigsten Zulieferer.
Dass der mittelständische Maschinenbauer aus Heidenheim an der Brenz persönlich nach Brasilien reisen muss, um der Förderung seines Eisenerzes nachzuspüren, ist ein Märchen, mit dem er nur seine kleinen Erben erschrecken kann. Die meisten Firmen sind geschützt. Hier gilt das Prinzip „Kosten vor Recht“. Einen wesentlichen Fortschritt im Sinne der vernünftigen globalen Rechtsordnung stellt das Lieferkettengesetz trotzdem dar. Die EU-Kommission wird einige Passagen daraus für ihre geplante Regulierung übernehmen.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Emotionen und politische Realität
Raus aus dem postfaktischen Regieren!
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?