Gesetz zu Lieferketten: Arroganz und Ignoranz
Verbesserungen bei Menschenrechten ausländischer Zulieferer kosten Geld. Das Gesetz muss schnell her.
S eit etwa 30 Jahren debattiert die Öffentlichkeit in reichen Staaten wie Deutschland, Frankreich und den USA über Vor- und Nachteile der Globalisierung. Trotzdem scheinen die Vorstände der meisten großen Unternehmen hierzulande noch zu denken: Was geht uns das an? Darauf deutet das Ergebnis einer Umfrage der Bundesregierung hin – nur 20 Prozent der teilnehmenden Firmen kümmern sich ausreichend um die Menschenrechte der Beschäftigten in ihren ausländischen Zulieferfabriken. Es herrscht eine Mischung aus Arroganz, Ignoranz und Gewinnfixierung.
Dabei geht es um einfache Dinge: Erhalten die ArbeiterInnen Löhne, die ein einigermaßen normales Leben ermöglichen? Sind die Fabrikgebäude vernünftig gebaut, gibt es genug Feuerlöscher und Notausgänge? Werden Frauen weder belästigt noch benachteiligt? Um diese Fragen zu beantworten, müssen Unternehmen analysieren, ob es derartige Risiken bei ihren Lieferanten in Bangladesch, Kambodscha, Äthiopien oder Honduras gibt. Nicht mal diesen ersten Schritt konnte offenbar die Mehrheit der Firmen nachweisen. Menschenrechte irgendwo in Asien, Afrika und Lateinamerika sind ihnen egal.
Unglaublich eigentlich. Das sagt sehr viel über den Gehalt offiziellen Geredes über die sogenannte Unternehmensverantwortung. Manche Organisationen wie der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) oder der Branchenverband Textil und Mode unterstützen die Ignoranz ihrer Mitglieder, wo es geht. Solche Verbände braucht niemand. Am wenigsten die Unternehmen, die doch beraten werden sollten, wie sie auf der Höhe der Zeit bleiben.
Ja: Verbesserungen kosten Geld – allerdings nicht so viel, dass die importierten Waren für die hiesigen VerbraucherInnen wesentlich teurer würden. CSU-Entwicklungsminister Gerd Müller und SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil müssen jetzt das angekündigte Gesetz zur Einhaltung der Menschenrechte in der globalen Produktion auf den Weg bringen, auch gegen Widerstände, etwa im Wirtschaftsministerium.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin