Geschlechtseintrag bei Behörden: Bremen wartet ab
Ämter und Behörden müssen bis Ende des Jahres eine dritte Option für den Geschlechtseintrag einführen. Obwohl die Umsetzung auch Ländersache ist, tut Bremen derzeit nichts.
Dabei muss bis Ende 2018 von den Standesämtern und Behörden die dritte Option für den Geschlechtseintrag in Geburtsurkunden geschaffen werden. Die Umsetzung, beispielsweise das Aufklären von Mitarbeitenden und das Einhalten des Diskriminierungsschutzes, ist Sache der Länder, und während dafür zum Beispiel in Hamburg Konzepte und Aktionspläne ausgearbeitet werden, geschieht in Bremen: nichts. Die Standesämter „müssen zunächst die geplante Änderung des Personenstandsgesetzes durch den Bundesgesetzgeber abwarten“, begründet das die Innenbehörde.
Bereits im Jahr 2012 schrieb der deutsche Ethikrat: „Mittelfristig gilt es, den rechtlichen Zwang zur Einordnung in die Binärstruktur männlich-weiblich im Personenstandsregister aufzuheben sowie nicht-binärgeschlechtlichen Personen eingetragene Lebenspartnerschaften zu ermöglichen“. Weiterhin sprach er sich dafür aus, Betroffenen Unterstützung und Respekt zu gewähren.
Im November 2017 beschloss das Bundesverfassungsgericht, dass die momentane Regelung zum Eintragen des Geschlechts verfassungswidrig ist. Demnach darf von Behörden entweder gar kein Geschlechtseintrag vorgeschrieben werden oder es muss eine dritte Option geschaffen werden. Hierbei handelt es sich um eine bundesgesetzliche Regelung. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) schlug vor, den dritten Geschlechtseintrag als „anderes“ zu bezeichnen, was im Justiz- und Familienministerium allerdings abgelehnt wurde. Von diesen drei Ministerien soll der Gesetzesentwurf erarbeitet werden.
Die dritte Option oder auch drittes Geschlecht ist eine Zuschreibung für Menschen, die sich nicht in das binäre System von „Mann“ und „Frau“ einordnen lassen (wollen).
Hierunter fallen viele Trans*, Inter* und Genderqueere Personen.
Das Bundesverfassungsgericht urteilte 2017, dass das derzeitige Personenstandsrecht diese Personen diskriminiere.
Die Umsetzung in den Standesämtern, genau wie die Umsetzung des Diskriminierungsschutzes ist Ländersache, und so beschloss bereits im März die Hamburgische Bürgerschaft einstimmig die Unterstützung zur zügigen Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, notfalls mithilfe einer Bundesratsinitiative. Der Senat wurde zur Beseitigung der Diskriminierung im Personenstandsrecht beauftragt.
Bereits Anfang 2017 veröffentlichte der Hamburger Senat den „Aktionsplan für Akzeptanz geschlechtlicher und sexueller Vielfalt“. Er entstand aus der Zusammenarbeit verschiedener Behörden, darunter auch die Innenbehörde.
In Bremen forderte die grüne Bürgerschaftsfraktion in einem Antrag im Juni den Senat auf, erste Schritte in die Wege zu leiten. Auf Nachfrage der taz, ob das schon geschehen sei, heißt es aus der Innenbehörde: „Es handelt sich um bundesgesetzliche Regelungen. Bremen wird im Rahmen der Abstimmung zwischen dem Bund und den Ländern beteiligt. Die Standesämter werden das künftige Gesetz umsetzen“. Ohnehin rechne man nicht damit, „dass die Standesämter mit einem hohen Antragsaufkommen konfrontiert werden“.
Das hoffen Friederike Boll und Jesper Jacob Kleinfeld natürlich nicht. Das Team um ihre Aktion besteht aus Trans*, Inter* und queeren Gruppen und Einzelpersonen. Boll und Kleinfeld arbeiten mit vielen Anwält*innen in ganz Deutschland zusammen, die zur Änderung der Geschlechtseintragung juristisch beraten. Weiterhin haben sie im Team viele Musteranträge entwickelt, die sie im Oktober zum einjährigen Jubiläum des Bundesverfassungsgerichtsurteils an möglichst viele Standesämter stellen wollen. Jede Person, die eine Änderung des Geschlechtseintrags möchte, könne sich gern an das Team wenden, so Boll: „Wir beraten gerne“.
Die Veranstaltung in Bremen regte großes Interesse: Alle Stühle des Infoladens waren bis auf den letzten Platz besetzt. Nach dem Vortrag von Kleinfeld und Boll wurden viele Fragen zu den Anträgen oder der Aktion gestellt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!