Geschlechterstreit bei Piraten: Parteichef hält Gender-Debatte für unnötig
Der Geschlechterstreit in der Piratenpartei geht weiter: Die Frauen-Initiative "Piratinnen" wächst. Doch Parteichef Seipenbusch glaubt nicht, dass seine Partei eine Gender-Debatte braucht.
BERLIN taz | Eine Gender-Debatte in der Piratenpartei? Nach Ansicht der Parteispitze gibt es die überhaupt nicht. "Wir haben kein Gleichberechtigungsproblem und das wird auch sicherlich nicht Thema in der Piratenpartei werden", sagt der Bundeschef der Partei, Jens Seipenbusch.
Die Reaktion überrascht. Hatten doch vor knapp zwei Wochen mehrere Frauen die Initiative "Piratinnen" gegründet, um sich über ihre Erfahrungen und Probleme in der männerdominierten Partei auszutauschen (taz berichtete). Nachdem die Initiatorin Lena Simon eine Mailingliste nur für Frauen gestartet hatte, wurde sie in Internetforen der Partei mit Kritik und Häme überschüttet.
Inzwischen haben sich fast 70 Frauen auf dem Mailingverteiler der Initiative angemeldet. Dennoch spricht Piratenparteichef Seipenbusch davon, dass die "Piratinnen"-Iniatorin Simon "ziemlich alleine dasteht".
Parteiinterne Kritiker werfen Simon und ihren Mitstreiterinnen in Piraten-Foren und Blogs zudem vor, dass sie sich doch auch den bereits bestehenden Arbeitsgruppen zum Thema Frauen und Männer hätten anschließen können.
Genau das habe sie zunächst auch versucht, sagt Simon, doch ihre Anliegen seien dort nicht ernst genommen worden. Eine ihrer "Piratinnen"-Kolleginnen schildert ähnliche Erfahrungen, will aber namentlich nicht genannt werden.
Dazu kommt, dass offenbar bei den Piraten niemand so recht weiß, welche der mindestens vier Arbeitsgruppen zum Thema Gleichberechtigung innerhalb der Partei überhaupt noch am Leben ist. "Nach einem anfänglichen Aktivitätsanstieg ist die AG Gender leider seit einigen Monaten weitgehend inaktiv", sagt Boris Turovskiy, der die AG Gender erst im September ins Leben gerufen hatte. Die Wiki-Seiten der anderen beiden Arbeitsgruppen "AG Frauen" und "Gesellschaftliche Gleichberechtigung" ließen vermuten, dass dort ähnliche Zustände herrschten, sagt Turovskiy.
Immerhin: Der Chef der Berliner Piraten, Andreas Baum, hat sich nach dem Vorstoß der "Piratinnen" inzwischen mit Initiatorin Lena Simon getroffen. Er nehme die Probleme und Anliegen der Frauen ernst und gestehe ihnen zu, ihre Initative weiter voranzutreiben, berichtete Simon nach dem Treffen.
UPDATE 11.3.2010, 10 Uhr:
Der Piratenpartei-Vorsitzende Jens Seipenbusch legt Wert auf die Feststellung, dass er keine Debatte innerhalb seiner Partei unterdrücken möchte. "Ich lehne keine Debatte ab und werde auch keine Debatte unterdrücken", erklärte er nach Lektüre unseres Berichtes der taz.
Zudem bestreitet Seipenbusch, gesagt zu haben "Wir sind Post-Gender." Wir haben das Zitat daher entfernt.
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