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Geschlecht und Sexualität im GamingNiemand liebt dich

Eine neue Lebenssimulation will dem Klassiker „Die Sims“ Konkurrenz machen. Für Queers ist sie dystopisch.

„InZOI“ ist wie „Die Sims“ ein Spiel, dass die echte Welt simuliert Foto: krafton.com

A ls ich durch die Stadt laufe und Frauen angrabe, fühle ich mich wie der schlimmste Pick-up-Artist. Kurz vorstellen, bisschen Smalltalk. Sie weist mich ab. Ich öffne beleidigt ihr Profil: Sie steht nur auf Männer, na toll. Das Ganze passiert mir noch neun weitere Male. Frustriert klappe ich den Laptop zu. So begann mein Leben als Incel.

Nein, Spaß. Aber sauer bin ich schon. In dem Spiel „InZOI“ ist es nahezu unmöglich, queer zu daten. Das Spiel ist eine Lebenssimulation, die dem Klassiker „Die Sims“ Konkurrenz machen könnte. Man erstellt einen Haushalt und lässt die Figuren die Stadt erkunden, arbeiten, heiraten und kinderkriegen. Dabei lernen sie auch computergesteuerte „Zois“ in ihrer Stadt kennen. Aber: Alle sind hetero, ohne Ausnahme.

Der Hersteller Krafton hat schon angekündigt, dass er diese „Probleme“ beheben will. Das Spiel ist im Early Access, heißt: Es ist noch nicht fertig und kann Programmierfehler enthalten. Aber ist das wirklich ein Fehler? Oder mag Krafton einfach keine Queers?

Heterosein gilt in unserer Gesellschaft als normal. Das lernte ich schon als Kind, denn alle Disney-Filme zeigten Hetero-Paare. Genau wie Kinder muss auch Software die Regeln einer Gesellschaft lernen. Die Entscheidung, was Ent­wick­le­r:in­nen ihr beibringen, ist politisch.

Queere Hochzeiten gibt es nicht

Krafton hat programmiert, dass es zwei Körperkategorien gibt – männlich und weiblich. Darauf basierend werden Geschlechtsidentität und sexuelle Orientierung festgelegt. Alle Zois sind erst mal cis und hetero. Diese Standardein­stel­lun­gen können Spie­le­r:in­nen zwar ändern, aber nur bei den Zois, die sie selbst spielen, nicht bei den automatischen Zois, denen sie begegnen. Krafton hat Queers – wenn nicht gezielt ausgeschlossen, dann mindestens – komplett vergessen. Peinlich!

Selbst als ich zwei lesbische Frauen erstelle, wollen sie partout nicht miteinander flirten. Für romantische Interaktionen muss ich ein lesbisches Paar erstellen, das bereits verheiratet ist. Queere Hochzeiten gibt es nicht. Kinder adoptieren oder zeugen geht auch nicht. Dass es nur für unterschiedliche Zois-Körper möglich ist, Kinder zu zeugen, muss man programmieren. Es ist also eine bewusste Entscheidung von Krafton.

das game

„InZOI“ von Krafton

InZOI Studio

für PC, PlayStation und Xbox

Genauso bewusst und rückwärtsgewandt ist es, zwei Körperkategorien vorzugeben. Geschlecht ist ein ausgedachtes Konzept. Ja, es gibt Menschen, die mit Penis oder Vagina geboren werden. Aber beides sieht man bei Zois nicht, also sollte das egal sein. Und wie der Rest des Körpers aussieht, wie breit die Schultern und wie groß die Brüste sind, ist unabhängig vom Geschlecht. Warum gibt es nicht eine oder fünf Körperkategorien, ohne Labels wie „männlich“ und „weiblich“?

Ich will Geschlecht nicht abschaffen. Eine Lebenssimulation ohne wäre doof, schließlich kann es eine wichtige Rolle für die eigene Identität spielen. Aber die Freiheit zu haben, sich diskriminierungsfrei vom binären Geschlechtersystem zu distanzieren und sich nicht einordnen zu müssen, ist genauso wichtig.

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Alexandra Hilpert
Redakteurin
Hat in Leipzig Journalismus studiert und ist seit 2022 fest bei der taz, aktuell im Online-Ressort als CvD und Nachrichtenchefin. Schreibt am liebsten über Wissenschaft, Technik und Gesellschaft, unter anderem in ihrer Kolumne Zockerzecke.
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5 Kommentare

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  • wie im richtigen Leben



    Das Spiel bietet was es verspricht



    wo ist das Problem?

  • Die Autorin hat es ja bereits erwähnt, das Spiel befindet sich noch im early access. In dieser Phase fehlen häufig noch elemtare Teile des Spiels. Normalerweise bekommen die Entwickler schon das Feedback der Spieler.

  • Ich habe auch von einigen gehört, die sich sehr auf das Spiel gefreut haben und es genau deswegen für unspielbar halten.

    Das war nun einmal ein Kernkriterium des Erfolgs von "The Sims": Die Freiheit, sie nach belieben anzupassen, Charaktere jenseits von Normen zu erstellen, vielleicht auch etwas verrückte Entscheidungen treffen zu können.

    InZoi wirkt hingegen wie eine Welt, in der man ohne Schönheitschirugen nicht überleben kann; die einem vorschreibt, was man tun soll. Warum sollte ich das kaufen?

  • Man hat auch die Freiheit, Spiele, die einem nicht zusagen, nicht zu spielen. Man hat allerdings kein Recht darauf, das Spieleentwickler sich nach den persönlichen Befindlichkeiten der Autorin richten und wenn Queere Personen im Spiel nicht vorkommen, ist das die Entscheidung der Entwickler. Wer sich daran stört, kann ja was anderes spielen

    • @Christian Deinhart:

      Wenn die Entwickler queer sein aber bewusst in die Charakterentwicklung der Spieler als Möglichkeit einbauen, dann sollte diese Möglichkeit auch spielbar sein, nicht?



      Und als Simulation, die bewusst einen Aspekt des wirklichen Lebens abbilden will, darf man doch zumindest ein wenig Abbildungstreue erwarten, nicht?



      Und als Journalist, der über Computerspiele schreibt, darf man doch auch und gerade über die schlechten Spiele entsprechend berichten, um Spielern einen Eindruck zu verschaffen, bevor diese Geld in das Spiel investieren, weil die Werbung etwas anbietet, was vom Spiel nicht erfüllt wird, nicht?