Geschichtsvergessene Ehrung: Bislang kein Glück im Rathaus
Ein Ex-Bürgermeister mit SS-Vergangenheit soll in Henstedt-Ulzburg geehrt werden. Die Mehrheit ist dagegen, doch die CDU-Bürgermeisterin beruft sich auf ihr Hausrecht.
HAMBURG taz | Volker Dornquast kann die ganze Aufregung nicht verstehen. Der CDU-Landtagsabgeordnete ist seit Dezember 2012 Vorsitzender der Bürgerstiftung Henstedt-Ulzburg und hat den „Büsten-Deal“ eingefädelt. Im zweiten Anlauf sollte es gelingen, Altbürgermeister Heinz Glück mit einer Plastik an prominenter Stelle zu ehren.
Als Dornquast selbst noch Bürgermeister der vor den Toren Hamburgs liegenden Gemeinde war, hatte er bereits vorgeschlagen, den Zuweg zum Rathaus nach seinem direkten Amtsvorgänger zu benennen. Doch die anderen Parteien winkten ab und wollten partout keinen „Heinz-Glück-Weg“.
Nun soll eine Büste von Glück ihren Ehrenplatz im Rathausfoyer finden. Die Bürgerstiftung hat sie schon lange von einer Worpsweder Künstlerin fertigen lassen. Und diesmal ist Dornquast nicht auf das Votum der Parteien angewiesen: Denn wessen Büste im Rathaus aufgestellt wird, entscheidet allein eine Parteifreundin, die kommissarisch regierende Vize-Bürgermeisterin Elisabeth von Bressendorf (CDU) – per Hausrecht. Das hat sie sich gerade noch mal von der Kommunalaufsicht schriftlich bestätigen lassen.
Heinz Glück war von 1962 bis 1970 Bürgermeister von Ulzburg und anschließend bis 1988 der neu gegründeten Gemeinde Henstedt-Ulzburg. Seit 1989 ist er Ehrenbürger von Henstedt-Ulzburg.
1969 initiierte Glück die Benennung einer Straße nach NS-Bürgermeister Heinrich Petersen, die 1998 wieder umbenannt wurde.
1987 stellte er das Ulzburger Bürgerhaus der NPD für einen Parteitag zur Verfügung. Den Gegendemonstranten hingegen ließ er den Strom abstellen.
2001 schrieb Glück ans Hamburger Abendblatt: "Ich schäme mich vor dem Ausland, dass mein Vaterland von Politikern repräsentiert wird, die ihr Vaterland verleugnen."
Und weil dem so ist, ließ von Bessendorf das Kommunalparlament das Thema erst gar nicht beraten, sondern teilte vorigen Monat nur in einem Ausschuss kurz mit, sie plane Glücks Büste in wenigen Tagen im Rathaus aufstellen zu lassen – am „Tag der Stiftungen“ und unter den Augen des ehemaligen schleswig-holsteinischen Innenministers Klaus Schlie (CDU).
Nun wundert sich die Bürgermeisterin, dass alle Rathausfraktionen außer der CDU gegen ihren Plan Sturm laufen. Denn der heute 89-jährige Glück hat nicht nur Verdienste als Bürgermeister erworben, viel früher schon verdiente er sich Meriten als aktives Mitglied der Waffen-SS. Distanziert hat sich Glück davon nie, im Gegenteil: Seinem früheren Stellvertreter Uwe Rohlfing (SPD) vertraute er einmal an, die Jahre in der SS seien seine besten gewesen.
Doch die Kommunalpolitiker hegen nicht nur Zweifel an Glücks demokratischer Gesinnung, ihnen stößt auch der Alleingang von Bressensdorfs übel auf. „Es mag sein, dass das Hausrecht einer Bürgermeisterin das Aufstellen von Büsten umfasst, aber ist es klug, dieses Hausrecht so auszuüben?“, mokiert sich Karin Honerlah, Fraktionschefin der Wählergemeinschaft WHU. Selbst wenn man Glücks Wirken sehr wohlwollend betrachte, reiche für ihn „unsere Ahnengalerie in Acryl völlig aus“.
Auch Tile Abel, Honerlahs Amtskollege von der Wählergemeinschaft BfB, betont, dass es ebenso „ums Procedere“ gehe: „Mit Glück selbst konnten wir uns noch gar nicht beschäftigen“ – dazu habe man das Kommunalparlament allerdings rechtzeitig beteiligen müssen. SPD und FDP hingegen haben sich wegen Glücks Vergangenheit längst gegen ein Konterfei des umstrittenen Ex-Bürgermeisters im Rathaus ausgesprochen.
Nachdem die bevorstehende Ehrung Glücks in der lokalen Presse für reichlich Wirbel sorgte, verzichtete die Bürgerstiftung kurzerhand darauf, die Glück-Büste am Tag der Stiftungen Anfang Oktober zu präsentieren, um „die Veranstaltung nicht zu beschädigen“. Doch ausgestanden ist das Thema damit nicht. Noch in dieser Woche will der Stiftungsvorstand um Dornquast darüber entscheiden, ob es bei dem Plan bleibt, die Büste im Rathaus zu platzieren.
Eine Verbündete hätte er. Bürgermeisterin von Bressendorf verkündet bereits, sie werde die Büste im Rathaus definitiv aufstellen, sollte die Bürgerstiftung erneut an sie herantreten. Das falle – darauf besteht die 69-Jährige – „ausschließlich in meinen Entscheidungsbereich“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin