Geschichte: Rivalitäten
Die Bevölkerungsmehrheit auf Trinidad besteht aus Nachkommen afrikanischer Sklaven und indischstämmigen Bewohnern, Nachkommen der indischen Vertragsarbeiter, die nach Abschaffung der Sklaverei mit dem so genannten Indentursystem (Vertragsarbeitssystem) auf die Insel kamen. 150.000 Arbeiter wurden in den Jahren von 1844 bis 1917 für die Zuckerplantagen angeworben. Ihre Kontrakte enthielten den kostenlosen Rücktransport nach Vertragsablauf. Die steigenden Reisekosten brachten die Verwaltung der seit 1802 britischen Kolonie auf die Idee, den Arbeitern alternativ Kronland auf der Insel anzubieten. Etwa drei Viertel griffen darauf zurück. So kamen zu den christianisierten Afrikanischstämmigen indische Hindus und zu einem geringeren Teil Muslime hinzu.
Während sich bis heute die Landbevölkerung überwiegend aus indischen Nachfahren konstituiert, haben sich die Schwarzen und Mulatten in den Städten niedergelassen und stellen das Gros der Industriearbeiterschaft und der öffentlichen Angestellten. So sind von den 350.000 Einwohnern der Hauptstadt Port of Spain gerade mal zehn Prozent indischer Abstammung.
Nach dem Sieg des afrotrindadischen People’s National Movement (PNM) bei den Wahlen von 1956 wurden die Schlüsselstellungen von Verwaltung und Justiz durch Angehörige der afrotrinidadischen Mittelschicht besetzt – die Macht der weißen Oberschicht erodierte. Die PNM war Anfang der Fünfzigerjahre von Angehörigen der schwarzen Bildungselite aus der Mittelschicht gegründet worden. Vorsitzender wurde der Oxford-Absolvent und renommierte Historiker Eric Williams, der bis zu seinem Tode 1981 die Entwicklung der Insel nachhaltig prägen sollte. Eric Williams betonte zwar den multiethnischen Charakter der Partei, dennoch entwickelte sie sich zu einer Partei der schwarzen Mittelschicht mit proletarischer Massenbasis.
Die Inder reagierten mit der Gründung eigener Parteien. Während die Afrotrinidadier die Unabhängigkeit forcierten, blieben die Indotrinidadier reserviert, sahen sie darin doch einen Ausbau der Dominanz der PNM. Mit Recht: Von der Unabhängigkeit 1962 bis 1986 stellte die PNM allein die Regierung. Dann unterlag sie dem ethnisch und ideologisch disparaten Parteienbündis der National Alliance for Reconstruction (NAR). Ministerpräsident wurde ein Schwarzer, Arthur Robinson, obwohl die indotrinidadische United Labor Front (ULF), inzwischen United National Congress (UNC), um Basdeo Panday die meisten Stimmen zum Wahlsieg beigetragen hatte.
Eben jener Basdeo Panday wurde nach den letzten Wahlen 1995 zum ersten indischstämmigen Ministerpräsidenten gekürt. Seitdem findet der Kampf um die politische Hegemonie zwischen der indotrinidadischen Regierung und der afrotrinidadischen Presse statt.
Martin Ling
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