Geschichte des Amerikahauses: Ungezogene Erzieher
In einer Freiluftausstellung erinnert die Fotogalerie C/O Berlin an die Geschichte ihres neuen Domizils Amerika Haus.
Ein bisschen war es wie Krieg. 5.000 Polizisten standen hinter Absperrgittern, der Innensenator hatte seine Einsatzzentrale ins gegenüber liegende Verwaltungsgericht verlegt. Polizei und Politik erwarteten am 9. Mai 1970 7.000 Demonstranten, die am Amerika Haus gegen den Vietnamkrieg protestieren wollten. Steine flogen, Scheiben gingen zu Bruch, Tränengas lag in der Luft. Am Ende aber ist das Amerika Haus davongekommen. Wieder einmal in diesen bewegten Zeiten.
„Bourgeoisie, Swing und Molotowcocktails – Das Amerika Haus im Wandel der Zeit“ heißt die Open-Air-Ausstellung vor dem Amerika Haus, mit der die Fotogalerie C/O Berlin ihren Zuschauern die Zeit vertreiben will, bis im einstigen Schaufenster der US-amerikanischen Kulturpolitik Ausstellungen gezeigt werden. Schließlich verzögern sich Sanierung und Eröffnung des neuen C/O-Standorts bis ins nächste Frühjahr, wie die Galerie vergangene Woche bekannt gab.
Man kann die überaus spannende Geschichte des Amerika Hauses im Spannungsfeld zwischen „Re-Education und Antiamerikanismus“ darstellen, wie es Kurator Hans Georg Hiller von Gaertringen formuliert. Man kann an ihr aber auch den Widersprüchlichkeiten der US-amerikanischen Kulturpolitik in Westberlin nachspüren.
Das fing schon mit der Wahl des Standorts an. Bis 1945 befand sich an der Hardenbergstraße hinter dem Bahnhof Zoo die „Berliner Kunsthalle“, eine Nazi-Institution, die 1938 die „Entartete Kunst“-Ausstellung gezeigt hat. Dass ebendort 1957 das moderne Amerika Haus entstand, ist also auch ein symbolischer Akt der Entnazifizierung durch eine neue Kulturpolitik.
Die Architektur selbst war aber auch in Washington nicht unumstritten. Der Auftrag an Walter Gropius wurde storniert, weil sich der Bauhaus-Gründer, inzwischen Amerikaner, in US-Dollar bezahlen lassen wollte. Und der Republikaner Dwight D. Eisenhower, der den Demokraten Harry S. Truman als Präsidenten abgelöst hatte, mokierte sich über „zu wenig Würde“ eines von Gordon Bunshaft vom renommierten Chicagoer Büro SOM vorgelegten Entwurfs, der ganz im Sinne Trumans „new, clean, spectacular and American“ war. Schließlich kam mit Bruno Grimmek ein Berliner zum Zug.
Beste Nachkriegsmoderne
Die Konservativen wünschten sich statt klassischer Moderne wohl mehr den Zuckerbäckerstil, wie er die Kulturhäuser in der DDR zierte. Letzten Endes war es Grimmek zu verdanken, dass das Amerika Haus – im Zusammenspiel mit dem Konzertsaal der UdK von Paul Baumgarten – die Hardenbergstraße zu einem Aushängeschild der Nachkriegsmoderne machte.
Mit ihren 29 Amerika Häusern in Westdeutschland und Westberlin stellten die USA die Kulturpolitik in den Dienst der Demokratieerziehung. Die Berliner waren begeistert, bekamen sie doch an der Hardenbergstraße erstmals Autoren wie Thornton Wilder oder Schauspieler wie Sidney Poitier zu Gesicht. Lyonel Feininger wurde ebenso ausgestellt wie Frank Lloyd Wright. Gleichzeitig aber gehörte zum kulturpolitischen Auftrag auch der Kampf gegen den Kommunismus. Dem diente, als Akt gegen die Zensur, der „Ost-Berliner Lesesaal“ – zugleich aber auch, als Akt der Zensur, die Verbannung von Autoren wie Jean Paul Sartre oder Dashiell Hammett aus der Bibliothek. Die wiederum war wie das ganze Haus allen Berlinern zugänglich. Jeder konnte sich frei und ungezwungen bewegen, eine im Nachkriegsberlin seltene Atmosphäre der Offenheit. Die Ungezogenheit der Erzieher hatte also auch sehr sympathische Züge.
Selbst nach der Demo am 9. Mai 1970, bei der die linken Studenten „USA – SA – SS“ skandierten, blieb das Amerika Haus ein offenes Haus. Das änderte sich erst, als nach den Anschlägen auf US-Botschaften in Nairobi und Daressalam 1998 al-Quaida auf den Plan trat. Diesmal kam das Amerika Haus nicht mehr davon. Bis zur Schließung 2006 verwandelte es sich in einen regelrechten Hochsicherheitstrakt.
Dass das Amerika Haus dichtmachen sollte, war aber bereits 1990 beschlossene Sache. Eigentlich schade. Gerade heute wäre ein Dialog über die kulturellen Traditionen des Westens diesseits und jenseits des Atlantiks eine spannende Sache.
■ Hardenbergstr. 22–24, bis 15. 9.
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