Gescheiterte Digitalisierung: Der iPadlose Klinik-Aufsichtsrat
Erst abnicken, dann rummosern – schon drollig wie mancher Politiker so ticken, findet die Kolumnistin. Noch mehr iPads helfen aber auch niemandem.
M eine letzte Kolumne hat mir den leicht gekränkten, aber ausnehmend freundlich vorgetragenen Hinweis eingebracht, dass die Santander Consumer Bank an diesen Schul-iPads ja gar keinen Profit macht, sondern das als Teil ihrer „social responsibility“ begreift. Bitte sehr, ich möchte das hiermit korrigiert haben und verkneife mir jede weitere Anmerkung über Banken, ihre sozialen Verantwortlichkeiten sowie abgedroschene Brecht-Zitate.
Was ich mir nicht verkneifen kann, ist eine weitere iPad-Posse, dieses Mal aus der Region Hannover. Dort möchte der kommunale Krankenhausverbund, das Klinikum Region Hannover, mit seinen zehn Standorten die Digitalisierung vorantreiben. Und beginnt damit dort, wo am wenigsten schief gehen kann, weil es keinen Patientenkontakt gibt: beim Aufsichtsrat.
Der sollte für künftige Sitzungen iPads zur Verfügung gestellt bekommen. In diesem Fall wollte man sich auch nicht lumpen lassen, da gibt es natürlich nicht die Billigmodelle, die in den Schulen zum Einsatz kommen, sondern Geräte für 1.300 Euro das Stück.
Hmpf, fanden einige der Aufsichtsräte, das ist aber blöd, wir haben doch schon eins. Als Mitglieder der Regionsversammlung, die sie in den Aufsichtsrat entsandt hat, haben sie nämlich dort schon eines erhalten – mögen das aber auch nicht besonders.
Jedenfalls verkündeten mindestens zwei ältere Herren von der CDU in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung (HAZ) entrüstet, sie würden die Sitzungsunterlagen doch ohnehin lieber auf Papier lesen und bräuchten ganz gewiss nicht noch ein iPad. Auch die stellvertretende Fraktionschefin der Grünen fand ein weiteres Gerät irgendwie überflüssig.
Man nickt einfach alles ab, wo Digitalisierung drüber steht
Dummerweise scheinen sie Sitzungsunterlagen weder auf dem Bildschirm noch auf Papier besonders gründlich zu lesen. Der Antrag des Klinikums über 150.000 Euro für irgendwas mit Digitalisierung wurde jedenfalls sowohl im Sozialausschuss als auch in der Regionsversammlung durchgewunken – auch von der CDU-Fraktion, auch von den Grünen. Man wollte sich wohl lieber nicht mit Nachfragen blamieren. Oder bewilligt einfach mal alles, wo Digitalisierung drüber steht.
Erst als die HAZ das Ganze skandalisierte und in Folge dessen auch der Bund der Steuerzahler hellhörig wurde, wachte man auf. Am Ende sprach Regionspräsident Steffen Krach (SPD), der gleichzeitig auch Chef des Aufsichtsrates ist, ein Machtwort: Keine iPads für niemanden, basta. Digitalisierung sei ja wichtig, müsste aber vor allem bei Mitarbeitern und Patienten ankommen, meinte er. Die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat bekommen jetzt allerdings auch keine iPads.
Man könnte das Ganze jetzt natürlich als drollige Provinzposse abtun, immerhin fallen die paar Kröten angesichts des riesigen Defizites des Klinikums (gemunkelt wird etwas von rund 200 Millionen Euro in fünf Jahren) kaum ins Gewicht.
Stumpfe Konsumentengeräte
Bedauerlicherweise ist das Ganze aber halt typisch für die Art und Weise, wie Digitalisierung in Deutschland verläuft: Entweder man druckt QR-Codes aus oder man bewirft Menschen mit iPads – und hofft, dass sich der Rest dann schon irgendwie von alleine fügt.
Dabei werden Techniker ja nicht müde zu erklären, dass iPads stumpfe Konsumentengeräte sind und praktisch das Gegenteil von digitalem Denken fördern: weil sie als geschlossene Systeme nämlich kaum Anpassungen zulassen, keine Einsichten, keine Erweiterungen, keine hausgemachten Bastellösungen.
Genau das macht die Dinger für Verwaltungen allerdings unwiderstehlich: Sie sind standardisiert, gut zu kontrollieren und können selbst von Technik-Dummies oder einem gut dressierten Schimpansen mit ein paar Klicks synchronisiert oder zurückgesetzt werden. Am Ende ist ja auch wirklich egal, auf welchem Gerät man nicht liest.
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