: Gescheitert, aber voll fit
Beobachtungen aus dem Leben junger Großstadtbewohner: „Heißes Wasser für alle“ ist ein Stück von Gesine Danckwart, das in den Sophiensälen läuft. Es geht nicht um Befindlichkeiten. Oder doch?
VON ANNE KRAUME
„Frag mich etwas …!“ – „…“ – „Irgendetwas!“ – „…“ – „Du könntest etwas von mir wissen wollen!“ – „Wie geht es dir?“
Es geht nicht um Befindlichkeiten. Das Stück „Heißes Wasser für alle“, das die Berliner Autorin und Theatermacherin Gesine Danckwart 2002 als artist in residence in Wien geschrieben hat und das jetzt von der niederländischen Theatergruppe Dood Paard in den Sophiensälen aufgeführt wird, besteht aus ineinander verschwimmenden Monologen von nur unscharf konturierten Personen. Diese Textsegmente haben bei Danckwart keine feste Reihenfolge, und sie beziehen sich auch nur zum Teil aufeinander: willkürliche Beobachtungen aus dem Leben junger Großstadtbewohner, vom Gang ins Fitnesszentrum bis hin zum Verschwinden des bevorzugten Handwaschmittels aus dem Supermarkt. Es geht nicht um Befindlichkeiten. Oder doch?
„Heute ist dieser Tag, an dem ich immer in dieses Fitnessstudio gehe, heute ist wieder mein fitter Tag, morgen gehe ich gleich nach Hause, darauf kann ich mich heute freuen, dass ich morgen nicht in dieses Fitnessstudio gehe …“
Wenn Gesine Danckwarts Text solche Körperkultbanalitäten aufgreift, dann handelt er womöglich doch von Befindlichkeiten. Auf der Bühne sind die übereinander gelegten Perserteppiche schon etwas abgestoßen, drei Sofas ordnen sich in der Mitte zur Sitzlandschaft, zahlreiche Bildschirme und eine große Leinwand im Hintergrund bieten Einblicke in den Garderobenraum hinter der Bühne oder in andere Welten draußen. Der stakkatohafte Fitnessmonolog führt aber nicht nur ins Leere, weil er von einem rauchenden Schauspieler auf der Couch vorgetragen wird, sondern auch, weil er in der Pendelbewegung zwischen dem ersehnten Ergebnis der Fitnessbemühungen und dem beschwerlichen Weg dorthin verharrt.
„Diese Stadt gehört uns, diese Stadt ist also immer unsere.“
Von allen fünf Schauspielern schön falsch gesungen und auf fünf E-Gitarren begleitet, entfaltet die Passage eine ganz eigene Wirkung. Denn es geht in „Heißes Wasser für alle“ immer wieder um die Stadt. Eigentlich sollte Danckwarts Stück aus Wien auch ein Stück über Wien werden – jetzt handelt es von der Stadt im Allgemeinen und davon, wie man von ihr an die Wand gedrückt wird. Die Gegenbewegung zum Gang durch den unendlichen Stadtraum findet deshalb im Rückzug in der eigenen Wohnung statt: In Bildern, die auf der großen Leinwand eingespielt werden, führen uns die Mitglieder von Dood Paard durch ihre eigenen Amsterdamer Wohnungen, erklären, dass die Aussicht vom Toilettenfenster aus am besten ist. Das Muster aus dem Film wird aufgegriffen, wenn zwei Schauspieler mit breitem amerikanischem Akzent eine Liveführung durch ihre imaginäre Luxusvilla anschließen – die Einrichtung designed by Versace und Vuitton, sagenhafter Komfort und unermesslich viel Platz. Auch hier wieder im Zentrum: der Fitnessraum.
„… dass das eigene ganz besondere Wollen und Sehnen nie befriedigt sein wird …“
Die Trivialitäten, die Gesine Danckwart in „Heißes Wasser für alle“ komponiert, die aufgefangenen Sätze über das Nichts sind abgrundtief traurig, gerade weil sie sich nicht auf eine klare Handlung oder eine konkrete Situation beziehen. Das Theaterkollektiv Dood Paard arbeitet ohne Regisseur und hat so aus Danckwarts Stück eine noch offenere Collage gemacht, die vor allem eines belegt: Solange man nicht weiß, wer spricht, so lange kann es jeder sein. Und auf diese Weise werden aus den leerlaufenden Platitüden resignierte Beobachtungen des eigenen Scheiterns. Wenn diese Beobachtungen dann nur in den tausendmal gehörten Formulierungen all der vorher schon Gescheiterten ausgedrückt werden können: umso schlimmer.
Heute und morgen, 20 Uhr, Sophiensäle, Sophienstraße 18