: Gesamtschule macht heute schon klug
Untersuchung zur Lernentwicklung bescheinigt den Gesamtschulen den höchsten Erfolg bei Lernzuwächsen: Mehr als verdoppelter Anteil von Schülern mit Gymnasialniveau innerhalb von vier Jahren
Die GAL macht mit ihrer Kampagne „9 macht klug“ (taz berichtete) derzeit einen mutigen Wahlkampf. Sie fordert eine gemeinsame 9-jährige Schulzeit für alle Schüler, in der Kinder nach individuellen Lehrplänen gefördert werden und auf eine frühe Selektion der Schüler nach Klasse 4 verzichtet wird. Der Leiter der Abteilung „Qualitätsentwicklung und Standardsicherung“ der Schulbehörde, Ulrich Vieluf, hat nun die Daten der bereits 2001 abgeschlossenen Lernausgangsuntersuchung (LAU) nochmals unter die Lupe genommen. Er kommt zu dem Schluss, dass die bereits bestehenden Gesamtschulen schon heute Schüler klüger machen als das dreigliedrige Schulsystem.
Vielufs Expertise wurde am Wochenende bei einem „Bildungs-Frühschoppen“ der Bergedorfer Gesamtschulen vorgestellt. Bei LAU wurden die Lernfortschritte eines ganzen Schülerjahrgangs 1996 in Klasse 5, 1998 in Klasse 7 und 2000 in Klasse 9 durch Vergleichsarbeiten gemessen. Bemerkenswert ist nun, dass von den 1996 gestarteten Fünftklässlern an den Gesamtschulen nur 11 Prozent eine Grundschulempfehlung für das Gymnasium hatten.
Doch in Klasse 9, nach vier Jahren gemeinsamen Lernens, lag der Anteil von Schülern im „typisch gymnasialen Leistungsbereich“ bei 28 Prozent. Während Gesamtschülern hohe Lernfortschritte vor allem in den Bereichen Sprache und Mathematik erzielten, seien bei Gymnasialschülern „erwartungswidrig geringe“ Lernfortschritte zu sehen, so Vieluf in seinem Vortrag. Obgleich diese von vornherein einen höheren Lernstand haben, sonst hätten sie ja auch keine Gymnasialempfehlung.
Auch ein anderer Befund gibt zu denken: So erzielen Schüler an reinen Hauptschulen deutlich geringere Lernfortschritte als an Gesamtschulen oder Integrierten Haupt- und Realschulen. Wie ein „roter Faden“ ziehe sich durch die LAU-Studien die Erkenntnis, dass leistungsschwache Schüler von der Gegenwart leistungsstarker Schüler profitieren, während für diese kein Nachteil nachweisbar wäre. Der „Schlüssel zum Erfolg“, so Vieluf, liege offenbar in der Vermeidung „anregungsarmer Lernmilieus“, wie es reine Hauptschulen darstellen. Zwar lassen sich an gemeinsamen Haupt- und Realschulen ebenfalls höhere Lernzuwächse messen, dies sei jedoch in hohem Maß den „Rückläufern“ aus Gymnasien zuzuschreiben. Das dort übliche und sehr teure Sitzenbleiben – betroffen ist jeder 4. Realschüler und jeder 5. Hauptschüler – bringe keinerlei Leistungsvorteile gegenüber der Gesamtschule.
„Die Gesamtschulen leisten mehr, als mancher ihnen zutraut“, fasst Gerhard Lein von der Gesamtschule Lohbrügge den Vortrag zusammen. In Teilen der Gesamtschulszene gab es Irritation über die GAL-Kampagne. „Wir fühlen uns mit dem, was wir leisten, übergangen“, erklärt Inge Noak von der „Gemeinnützigen Gesellschaft für Gesamtschule“. GAL-Spitzenkandidatin Christa Goetsch indes versichert, die Gesamtschule habe schon einen „großen Schritt“ getan. „Wir kritisieren nicht die Gesamtschule, sondern die Selektion der Schüler nach Klasse 4“. KAIJA KUTTER