piwik no script img

Gert Scobels Abschied von der 3sat-"Kulturzeit"Von Marco bis Medea

Der "Kulturjournalist des Jahres 2005", Gert Scobel, verhedderte sich in seiner letzten Sendung mit gewagten Einleitungen. Ab April 2008 bekommt er seine eigene Sendung.

Moderierte seit 1995 die 3sat-"Kulturzeit": Gerd Scobel. Bild: dpa

Im immer seltsamer werdenden Fernsehgeschäft stehe die "Kulturzeit" für Erkenntnis, sagte Gert Scobel am Montag zum Abschied. Seltsam war das, was der sonst so geschätzte Moderator in seiner letzten Sendung hinlegte, tatsächlich. Erkenntnisgewinn dagegen bescherten die endlosen Schwenks auf eine Waschmaschine dem Zuschauer im Beitrag über sich "reinwaschende" SS-Mitglieder eher weniger.

Der mehrfach preisgekrönte Scobel verlässt die einfach preisgekrönte Sendung auf 3sat. (Damit folgt er Dieter Moor, der bei "Kulturzeit" vertretungsweise moderierte, dann zu "ttt -Titel, Thesen, Temperamente" ging und dort Caren Miosga ablöste, die zu den "Tagesthemen" wechselte und Anne Will ablöste, die Christiansen ablöste, die niemanden mehr ablösen darf.)

Auch Scobel wird niemandes Nachfolger. Stattdessen soll er ab April seine eigene wöchentliche Sendung auf 3sat moderieren. Gut, dass ihm das schon versprochen wurde. Denn ausgerechnet Scobels letzte Vorstellung war nicht gerade das, womit man im Bewerbungsgespräch besticht.

Scobel, "Kulturjournalist des Jahres 2005", der komplexe Sachverhalte oft erstaunlich verständlich erklären kann, verhedderte sich, gewiss nervös ob der gesteigerten Abschiedsaufmerksamkeit, in unzähligen Exkursen. Um etwa den Beitrag über das Theaterstück "Mamma Medea" einzuleiten, schlug er einen Bogen zum Kindergipfel der Kanzlerin, streifte kurz Marco, die Zahl der Kinder unterhalb der Armutsgrenze und die Kriminalstatistik über Kindstötungen - drei pro Woche -, aus der er folgerte, dass die Gesellschaft diese drei toten Kinder einkalkuliere, ergo kinderfeindlich sei, um endlich von hinten durch die Brust bei Medea anzukommen, (die ihre Kinder aus Rache tötete - was weder in Darry noch in Plauen noch im Fall Marco zutrifft).

Auch im anschließenden Interview zeigte sich Scobel nicht von seiner allerbesten Seite. Könne die Faszination für Kindsmörderinnen daher rühren, dass wir selbst den nährenden Staat, also die Mutter verloren haben, Stichwort Hartz IV?

Mehrfach musste die Gesprächspartnerin seine Fragen sortieren, in etwa so: Wenn Sie fragen, ob ich blabla, dann würde ich sagen, ja. Ob es das ist, was die Grimme-Kommission meinte, als sie schrieb: "Er führt Gespräche und Diskussionen, ohne sie zu dominieren"?

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!