Gerichtsurteil zu Abtreibungen in Irland: Hirntote Schwangere darf sterben
Was wiegt schwerer, das Recht einer Hirntoten auf Sterben in Würde oder das Lebensrecht des Fötus in ihrem Bauch? Ein Gericht erlaubte nun den Tod.
DUBLIN taz | Eine hirntote 26-Jährige, die 18 Wochen schwanger ist, darf sterben. Das entschied ein irisches Gericht gestern Mittag. Die Frau, Mutter von zwei kleinen Kindern, hatte am 29. November ein Hirntrauma erlitten und wurde am 3. Dezember für hirntot erklärt. Ihr Partner sowie ihre Familienangehörigen forderten die Ärzte daraufhin auf, die Frau in Würde sterben zu lassen. Aber wegen der Schwangerschaft und dem in Irland geltenden strikten Abtreibungsverboten trauten sich die Ärzte aus Angst vor Strafverfolgung nicht, die Maschinen abzuschalten.
Seit 1983 ist das Abtreibungsverbot in der irischen Verfassung festgeschrieben. Zwar hat die Regierung voriges Jahr ein Gesetz verabschiedet, das eine Abtreibung bei akuter Lebensgefahr für die Schwangere zulässt, doch das sei in diesem Fall nicht anwendbar, meinten die Ärzte: Die Schwangere war ja bereits hirntot.
In diese Richtung argumentierten auch die Pflichtanwälte, die eigentlich die Interessen der Schwangeren vertreten sollten. Doch dafür hätte man die Maschinen noch zehn Wochen lang laufen lassen müssen. Die Anwälte für den Fötus argumentierten ebenfalls, dass dessen Interessen in diesem Fall Vorrang hätten. Das Gericht bestätigte, dass die Rechte einer hirntoten Schwangeren hinter denen eines Fötus zurückstehen müssen. Die Frage sei aber, wie weit ein Gericht gehen sollte, um dessen Recht zu verteidigen. Im vorliegenden Fall habe der Fötus keine realistische Chance gehabt, lebend geboren zu werden, sagten die Richter in der Urteilsbegründung.
Die Abtreibungsdebatte war in Irland im Herbst wieder aufgeflammt, nachdem einer Immigrantin, die nach einer Vergewaltigung in ihrem Heimatland schwanger geworden war, eine Abtreibung verwehrt wurde. Weil sie suizidgefährdet war, wurde sie per Kaiserschnitt zwangsentbunden, um das Baby zu schützen.
Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung befürworten ein Referendum, um das Abtreibungsverbot aus der Verfassung zu streichen. Sämtliche Parteien lehnten das vorige Woche ab, weil damit bei Wahlen kein Blumentopf zu gewinnen ist. Lediglich 13 linke Abgeordnete stimmten dafür. Irlands Politiker reagieren in dieser Frage nur, wenn sie von Gerichten dazu gezwungen werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe