Gerichtsprozess gegen Ex-Soldaten: Größenwahn aus Deutschland
Zwei Bundeswehrsoldaten sollen geplant haben, eine eigene Söldnertruppe in den Bürgerkrieg im Jemen zu schicken. In Stuttgart stehen sie nun vor Gericht.
So trägt es die Vertreterin des Generalbundesanwalts am Donnerstag vor dem Oberlandesgericht Stuttgart vor. Die beiden Angeklagten werden in Handschellen hereingeführt und hinter einer Glasscheibe platziert. Arend-Adolf G., 60, hält sich einen Zettel vors Gesicht, Achim A., 52, zieht gleich seine FFP2-Maske ab. Beide waren früher bei der Bundeswehr, kennen sich aber erst seit 2014.
Spätestens Anfang 2021 hätten die beiden den Entschluss gefasst, eine paramilitärische Einheit aufzubauen, gebildet aus ehemaligen und möglicherweise auch aktiven Mitgliedern der Bundeswehr, sagt Staatsanwältin Verena Simon. Sie hätten im Jemen Gebiete erobern wollen, um Friedensverhandlungen zwischen Huthi-Rebellen und der anerkannten Regierung zu erzwingen. Bemerkenswert ist ihr mutmaßliches Motiv: Die Angeklagten haben laut Anklage aus „christlich-fundamentalistisch gefärbten Vorstellungen“ heraus gehandelt und sich auch an den Wahrsagungen einer angeblichen Hellseherin orientiert. Daneben sollen sie aber auch wirtschaftliche Interessen gehabt haben. Sie kalkulierten demnach mit einem Söldnerlohn von mindestens 40.000 Euro im Monat und sollen vorgehabt haben, ein „privates Militärunternehmen erfolgreich am Markt zu etablieren“.
A. befasste sich mit „nation building“
Der Generalbundesanwalt sieht darin die versuchte Bildung einer terroristischen Vereinigung. Denn die beiden mutmaßlichen Rädelsführer hätten mit ihrer Truppe zwangsläufig auch schwere Straftaten wie Mord und Totschlag begangen – ohne einen Rechtfertigungsgrund, wie ihn offizielle Kriegsparteien haben. Die Angeklagten hätten zivile Opfer einkalkuliert. Sie hätten Gebiete aushungern, von der Wasserversorgung abschneiden und mit Gas kontaminieren wollen.
Achim A. hat schon vor dem Ermittlungsrichter ausgesagt, dass er nie den rechtlichen Rahmen habe verlassen wollen. Auch vor Gericht lässt er sich ausführlich ein. Er referiert über seine Jobs als Dozent und Berater, nennt viele Namen, wirkt wie bei einem Bewerbungsgespräch. Er berichtet von seinem Verein, den er 2015 gegründet hat und der sich mit „nation building“ befasste. Er betont, dass er gute Kontakte hatte und Erfahrungen im diplomatischen Bereich. Dass es also nicht so abwegig gewesen sei, dass er sich per Mail mehrfach an saudi-arabische Regierungsstellen wandte. Ohne Antwort.
A. erzählt auch davon, dass er 2017 zusammen mit einem Asgaard-Vertreter in Somalia war, um dort Sicherheitskräfte aufzustellen; das Projekt kam nie zu Stande. Arend-Adolf G. berichtet, wie er nach Jobs bei Paketdiensten und im Teppichverkauf sowie einer Zeit als aktiver Bundeswehrreservist zeitweilig Asgaard-Geschäftsführer war. Beide Angeklagte waren 2017 für die Firma im Irak, zur Bewachung der saudischen Botschaft.
Der Vorsitzende Richter fragt: „Wie kommt der Herr A. dazu, er müsse was unternehmen, um in Somalia eine Stabilisierung“ zu erreichen? Es werde wenig in Konflikte eingegriffen, sagt A. „Ich wollte etwas bewegen, ich wollte große Politik gestalten.“ A. beschreibt sich als tiefreligiös, er habe sich viel mit Voraussagungen beschäftigt, eine türkische Wahrsagerin habe Informationen in der Jemensache vermittelt. Er habe ihr zumindest eine Weile total vertraut. „Durch das blinde Vertrauen kam ich überhaupt in diese Situation.“
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