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Gericht stärkt Pressefreiheit in der TürkeiEntschädigung für Journalisten

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg verurteilt Ankara wegen Verletzung der Meinungsfreiheit zur Zahlung von 4.000 Euro.

Die kurdische Politikerin Leyla Zana soll nochmal für zehn Jahre hinter türkischen Gefängnismauern verschwinden. Bild: reuters

ISTANBUL taz Jeweils 2.000 Euro Entschädigung hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg zwei in Deutschland lebenden türkischen Journalisten zugesprochen, weil nach Auffassung des Gerichts ihre Meinungsfreiheit verletzt wurde. Die beiden Journalisten, 29 und 52 Jahre alt, waren 2002 in der Türkei zu einer Geldstrafe verurteilt worden, weil sie als Herausgeber einer Wochenzeitung Erklärungen des inhaftierten PKK-Chefs Abdullah Öcalan veröffentlicht hatten. Sie sollen damit gegen das Anti-Terror-Gesetz verstoßen und Propaganda für eine verbotene Organisation verbreitet haben. Das Gericht verurteilte die Türkei, weil eine solche Veröffentlichung im Rahmen der Pressefreiheit möglich sein muss. Die Presse habe die Aufgabe, auch gesellschaftlich umstrittene Themen aufzugreifen und so deren öffentliche Diskussion zu ermöglichen. Ein Eingriff in die Pressefreiheit dürfe nur in besonders schwerwiegenden Fällen erfolgen.

Mit diesem Urteil stärkt das Gericht die Pressefreiheit im Besonderen und die Meinungsfreiheit ganz allgemein in der Türkei. Gerade in Bezug auf die PKK urteilen türkische Gerichte bis heute rigide. So reicht es schon, öffentlich vom "geehrten Herrn Öcalan" zu sprechen, um als Propagandist für eine illegale Organisation verurteilt zu werden. Vor allem kurdische Politiker sind in den letzten Jahren wegen dieser Höflichkeitsfloskel zu Geld- oder Haftstrafen verurteilt worden, wenn sie bei Wahlkampfveranstaltungen auf Öcalan Bezug nahmen.

Jüngstes schwerwiegendes Urteil in Sachen Meinungsfreiheit ist eine letzte Woche von einem Gericht in Diyarbakir verkündete 10-jährige Haftstrafe für die kurdische Politikerin Leyla Zana, weil sie bei Großveranstaltungen in Diyarbakir Öcalan als großen kurdischen Führer bezeichnet hatte. Zana hat bereits 10 Jahre im Gefängnis gesessen, nachdem sie 1994 mit drei weiteren kurdischen Politikern verhaftet worden und wegen Unterstützung der PKK verurteilt worden war. Zanas Anwälte haben Berufung eingelegt, deshalb befindet sie sich noch auf freiem Fuß. Ob das Urteil in Straßburg dazu beitragen wird, künftig Meinungsfreiheit auch in Bezug auf kurdischen Separatismus zuzulassen, ist fraglich.

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