Gericht schränkt Sonntagsshopping ein: Weihnachten ist gerettet
Bundesverfassungsgericht gibt Klage gegen Sonntagsöffnung teilweise Recht. Aber an den nächsten drei Adventssonntagen bleibt es beim ungetrübten Einkaufsgenuss
Wer Sonntags gerne einkaufen geht, kann dies bis Weihnachten noch ausgiebig tun. Das Bundesverfassungsgericht urteilte zwar am Dienstag, dass es gegen die Verfassung verstößt, wenn die Läden an allen Adventssonntagen öffnen dürfen. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) wies jedoch darauf hin, dass das Gericht dem Land eine Übergangszeit bis zum kommenden Jahr zur Überarbeitung der Regeln eingeräumt hat. Allerdings sollen nach Vorstellung Wowereits auch im Jahr 2010 die Läden an bis zu zehn Sonntagen öffnen dürfen - aber dann nicht mehr an allen vier Adventssonntagen.
Im Jahr 2006 wurde bei der Föderalismusreform I die Zuständigkeit für den Ladenschluss vom Bund auf die Länder übertragen. Das Land Berlin schuf die bundesweit liberalste Regelung: Die Geschäfte durften seither nicht nur an den vier Adventssonntagen öffnen. Vier weitere Sonntage wurden vom Senat nach Absprache mit Arbeitgebern, Gewerkschaften und den Kirchen landesweit freigegeben. Und außerdem konnte jedes Geschäft individuell entscheiden, an zwei weiteren Sonntagen zu öffnen. Das Verfassungsgericht hielt in seinem Urteil allein die Regelung mit den vier Adventssonntagen für verfassungswidrig. Die Sonntagsöffnung müsse aber die Ausnahme bleiben und für jede Öffnung brauche es einen "Grund von besonderem Gewicht".D as Gericht legte jedoch keine feste Obergrenze fest, an wie vielen Sonntagen der Einkauf erlaubt ist.
Wowereit strebt nun an, dass acht Sonntage vom Senat landesweit freigegeben würden, "wobei dann auch einer oder zwei Adventssonntage dabei sein können", wie er sagte. Die Termine sollen mit Unternehmen, Gewerkschaften und den Kirchen abgestimmt werden. An den zwei individuellen Sonntagsterminen soll es bleiben. Bevor die Details feststehen, soll das Urteil noch juristisch ausgewertet werden.
Wowereit kritisierte, das Urteil sei eine "Verschlechterung für den Einzelhandel, für Hotel- und Gaststättengewerbe". Das Gericht habe eine "konservative Sichtweise". Das Urteil sei auch nicht konsequent - sonst hätten die Richter auf die Frage kommen müssen, ob das Grundrecht auf freie Religionsausübung nur für die christlichen Religionen gelten müsse - oder nicht auch für andere, die andere Ruhe- und Feiertage haben.
Die CDU unterstützt Wowereits Kurs. Ihr Wirtschaftspolitiker Heiko Melzer fordert, "die Sonntagsöffnung an zehn Sonntagen auch weiterhin zu ermöglichen, ohne die besondere Bedeutung des Tages und insbesondere der Adventssonntage als Tage des Innehaltens und Reflektierens in Frage zu stellen".
Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Volker Ratzmann begrüßte dagegen das Urteil: "Eine Entscheidung, die Innehalten und Ruhe über den unbegrenzten Konsum stellt, ist auch für eine Metropole wie Berlin richtig." Wowereit habe "alle mahnenden Worte in den Wind geschlagen und insbesondere den Ausgleich mit Kirchen und Gewerkschaften versäumt". Die Entscheidung zeige, "dass Rot-Rot nicht in der Lage ist, die unterschiedlichen Interessen, die in dieser Stadt vorhanden sind, zu einem Ausgleich zu bringen".
Auch die Verdi-Fachbereichsleiterin Handel zeigte sich über den Richterspruch erfreut: "Das ist eine sehr gute Nachricht für die mehr als 100.000 Verkäuferinnen und Verkäufer in Berlin", so Erika Ritter. Das Urteil kommte genau richtig, "müssen doch die Einzelhandelsbeschäftigten gerade in der Vorweihnachtszeit Höchstleistungen vollbringen". Das Urteil entlaste die Arbeitssituation im Handel, die ohnehin durch hohe Flexibilität und häufige Samstagseinsätze gekennzeichnet sei.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione