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Gericht schränkt Sonntagsshopping einWeihnachten ist gerettet

Bundesverfassungsgericht gibt Klage gegen Sonntagsöffnung teilweise Recht. Aber an den nächsten drei Adventssonntagen bleibt es beim ungetrübten Einkaufsgenuss

Das Bundesverfassungsgericht hat das sonntägliche Einkaufen - wie hier am Potsdamer Platz in Berlin - für nicht rechtmäßig erklärt. Wegen einer Übergangszeit sollen neue Regeln aber erst ab Januar gelten - an den verbleibenden drei Adve Bild: REUTERS

Wer Sonntags gerne einkaufen geht, kann dies bis Weihnachten noch ausgiebig tun. Das Bundesverfassungsgericht urteilte zwar am Dienstag, dass es gegen die Verfassung verstößt, wenn die Läden an allen Adventssonntagen öffnen dürfen. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) wies jedoch darauf hin, dass das Gericht dem Land eine Übergangszeit bis zum kommenden Jahr zur Überarbeitung der Regeln eingeräumt hat. Allerdings sollen nach Vorstellung Wowereits auch im Jahr 2010 die Läden an bis zu zehn Sonntagen öffnen dürfen - aber dann nicht mehr an allen vier Adventssonntagen.

Im Jahr 2006 wurde bei der Föderalismusreform I die Zuständigkeit für den Ladenschluss vom Bund auf die Länder übertragen. Das Land Berlin schuf die bundesweit liberalste Regelung: Die Geschäfte durften seither nicht nur an den vier Adventssonntagen öffnen. Vier weitere Sonntage wurden vom Senat nach Absprache mit Arbeitgebern, Gewerkschaften und den Kirchen landesweit freigegeben. Und außerdem konnte jedes Geschäft individuell entscheiden, an zwei weiteren Sonntagen zu öffnen. Das Verfassungsgericht hielt in seinem Urteil allein die Regelung mit den vier Adventssonntagen für verfassungswidrig. Die Sonntagsöffnung müsse aber die Ausnahme bleiben und für jede Öffnung brauche es einen "Grund von besonderem Gewicht".D as Gericht legte jedoch keine feste Obergrenze fest, an wie vielen Sonntagen der Einkauf erlaubt ist.

Wowereit strebt nun an, dass acht Sonntage vom Senat landesweit freigegeben würden, "wobei dann auch einer oder zwei Adventssonntage dabei sein können", wie er sagte. Die Termine sollen mit Unternehmen, Gewerkschaften und den Kirchen abgestimmt werden. An den zwei individuellen Sonntagsterminen soll es bleiben. Bevor die Details feststehen, soll das Urteil noch juristisch ausgewertet werden.

Wowereit kritisierte, das Urteil sei eine "Verschlechterung für den Einzelhandel, für Hotel- und Gaststättengewerbe". Das Gericht habe eine "konservative Sichtweise". Das Urteil sei auch nicht konsequent - sonst hätten die Richter auf die Frage kommen müssen, ob das Grundrecht auf freie Religionsausübung nur für die christlichen Religionen gelten müsse - oder nicht auch für andere, die andere Ruhe- und Feiertage haben.

Die CDU unterstützt Wowereits Kurs. Ihr Wirtschaftspolitiker Heiko Melzer fordert, "die Sonntagsöffnung an zehn Sonntagen auch weiterhin zu ermöglichen, ohne die besondere Bedeutung des Tages und insbesondere der Adventssonntage als Tage des Innehaltens und Reflektierens in Frage zu stellen".

Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Volker Ratzmann begrüßte dagegen das Urteil: "Eine Entscheidung, die Innehalten und Ruhe über den unbegrenzten Konsum stellt, ist auch für eine Metropole wie Berlin richtig." Wowereit habe "alle mahnenden Worte in den Wind geschlagen und insbesondere den Ausgleich mit Kirchen und Gewerkschaften versäumt". Die Entscheidung zeige, "dass Rot-Rot nicht in der Lage ist, die unterschiedlichen Interessen, die in dieser Stadt vorhanden sind, zu einem Ausgleich zu bringen".

Auch die Verdi-Fachbereichsleiterin Handel zeigte sich über den Richterspruch erfreut: "Das ist eine sehr gute Nachricht für die mehr als 100.000 Verkäuferinnen und Verkäufer in Berlin", so Erika Ritter. Das Urteil kommte genau richtig, "müssen doch die Einzelhandelsbeschäftigten gerade in der Vorweihnachtszeit Höchstleistungen vollbringen". Das Urteil entlaste die Arbeitssituation im Handel, die ohnehin durch hohe Flexibilität und häufige Samstagseinsätze gekennzeichnet sei.

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5 Kommentare

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  • GH
    G. H. Pohl

    Sicherlich wäre ich gläubiger Christ, wenn ich mit der Religion einverstanden wäre. Gratulieren muß ich den Kirchen dennoch für diesen Erfolg.

    Niemand, am allerwenigsten die dem Kapital liebedienerische, kriecherische Politik ( siehe Wowereit’s Erguß „Christmas Shopping“– von wegen das ist gut so…) , hat den Mut gehabt, gegen diesen Ausbund von Geldgeilheit anzugehen – von wegen „Service“!

    Wenn „Service“ der Grund für alle Laden-Öffnungs-Exzesse sein sollte, gäbe es geradezu unendliche Baustellen, denen man sich intensiv widmen müßte.

    Da das nicht geschieht, ist man entlarvt.

    Niemand denkt wohl an Verkäuferinnen und Verkäufer, die für schäbigen Lohn nicht zur Ruhe kommen. Was wären Fußball- und andere Vereine, wenn man sich nicht wenigstens an einem Tag in der Woche treffen und Gemeinsames erleben könnte, vom Famielenleben ganz zu schweigen. Wo bliebe dann die Erholung? Nein, „Shopping“ ist das Größte – ja, geht’s denn noch?

  • T
    Takeshi

    Das Urteil ist mir eigentlich egal, was mich stört, ist die Tatsache, das sich wiedermal die Kirche als Kläger in weltliche Dinge einmischt.

    Die soll in Ihrem Elfenbeinturm bleiben und das Geld verjubeln, was sie in den letzten Jahrhunderten den Menschen abgepresst hat.

  • S
    Schneider

    "Eine Entscheidung, die Innehalten und Ruhe über den unbegrenzten Konsum stellt, ist auch für eine Metropole wie Berlin richtig."

     

    Berlin ist sonntags geschlossen;

    auch die Kirchen.

    Nichts bewegt sich.

  • D
    denninger

    Ok, Sebastian, wie wäre es wenn Du Dich die nächsten drei Sonntage jeweils acht oder mehr Stunden lang als Verkäufer in ein Geschäft stellst damit auch Dein Weihnachten, so wie das der "mehr als 100.000 Verkäuferinnen und Verkäufer in Berlin" "gerettet" ist?

  • H
    Helen

    Den schlimmsten Krach am Sonntag machen christliche "Herrenhäuser" (griech: "Kirchen") mit ihrem Glockenterror und mit ihren Uhrenschlägen.

     

    Das schädigt besonders Schichtarbeitende und lt. Arzt soger die Föten im Mutterleib, weil sich der Schalldruck in Flüssigkeiten verstärkt, zumal die tiefen Glockenfrequenzen besonders penetrant sind.

     

    Dagegen sollte endlich mal vorgegangen werden. In Berlin und Ostdeutschland sollte das am ehesten gelingen.