Gericht entscheidet über Cannabis: Das verbotene Heilmittel
Dürfen Patienten, die zur Therapie ihrer Leiden Cannabis benötigen, dies selbst anbauen? Darüber entscheidet am Dienstag das Verwaltungsgericht Köln.
BERLIN taz | In einem mit Spannung erwarteten Urteil wird das Verwaltungsgericht Köln am 22. Juli entscheiden, ob Patienten, die zur Therapie ihrer Leiden Cannabis benötigen, dies auch selbst anbauen dürfen.
Einer der Kläger, Günter Weiglein, hatte 2002 einen schweren Motoradunfall mit Knochenbrüchen am ganzen Körper überlebt und leidet seitdem an chronischen Schmerzen. Die üblichen Schmerzmittel vertrug er gar nicht oder schlecht, Linderung verspürte er erst, als ein Freund ihm einmal einen Joint reichte; seitdem nimmt er gegen seine Schmerzen – mit ärztlicher Verschreibung wie sie seit 1996 wieder möglich ist, als der jahrzehntelang verbannte Hauptwirkstoff der Hanfpflanze, Tetra-Hydro-Cannabinol (THC), unter dem Markennamen „Dronabinol“ wieder in das deutsche Arzneibuch aufgenommen wurde.
Wer in den Genuss der krampflösenden, übelkeitshemmenden und appetitanregenden Wirkung kommen wollte konnte sich seitdem die halb-synthetisch hergestellten „Dronabinol“-Tropfen verschreiben lassen – wobei ein Fläschchen für 120 Euro für viele Patienten nicht nur unerschwinglich war (weil die Krankenkassen es nicht übernahmen), sondern einige auch feststellten, dass ihnen der isolierte Wirkstoff nicht so gut half wie natürliche Hanfblüten, die außer THC noch viele weitere Cannabinoide enthalten.
Weil sich die beim Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zuständige „Bundesopiumstelle“ weigerte, entsprechende Genehmigungen zu erteilen, zogen recht bald Patienten vor Gericht, um die Legalisierung der natürlichen Medizin zu erreichen. Mit Erfolg: Seit 2009 ist die Bundesopiumstelle verpflichtet, auch natürliches Cannabis als Medikament zu genehmigen. Etwa 300 Patienten können seitdem mit einer Sondergenehmigung medizinisches Cannabis, das aus den Niederlanden importiert wird, über ihre Apotheken beziehen, für 15 Euro pro Gramm.
Einer dieser Patienten ist Günter Weiglein, doch der kann sich – bei einem Monatsbedarf von etwa 50 Gramm – dieses teure Apothekengras nicht leisten und will „seine“ Medizin deshalb selbst anbauen.
Schon Ende 2012 hatte das Oberverwaltungsgericht Münster entschieden, dass in Einzelfällen ein solcher Selbstanbau genehmigt werden müsse, worauf das BfArM dann für diese Einzelfälle Sicherheitsvorschriften einforderte, die eher an spaltbares Nuklearmaterial als an ein natürliches Kraut erinnern.
Schwache Argumente
Über die Rechtmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit, von chronisch kranken, mittelosen Patienten den Einbau eines Tresors zu verlangen, um die Öffentlichkeit vor einem brisanten Stoff zu schützen, den man für 6-7 Euro pro Gramm überall kaufen kann, müssen die Kölner Richter jetzt befinden.
Die Argumente der beklagten Behörde – dass der Selbstanbau gegen internationale Gesetz verstoße und keine medizinisch einwandfreie Qualität sichern könne – scheinen dabei eher schwach. Auch nach den internationalen Drogengesetzen stehen jedem Land medizinische Sonderregelungen frei, weshalb in 20 US-Bundestsaaten und vielen anderen Ländern der Selbstanbau zur medizinischen Nutzung mittlerweile legalisiert ist.
Nach den internationalen Naturgesetzen gibt es kaum eine Pflanze, die einfacher anzubauen ist als Hanf. Mehr als Erde, Wasser und Licht braucht ein Samenkorn nicht, um daraus bis zu 500 Gramm einwandfreie Medizin zu produzieren – ein Medikament, an dem in der gesamten Medizingeschichte noch kein Mensch ums Leben gekommen ist, weil selbst eine schwere Überdosierung keine organischen Schäden hinterläßt, wohingegen schon eine minimale Dosis bei vielen Patienten eine hervorragende Wirkung zeigt.
Chronisch kranken Menschen eine derart wirksame und ungiftige Pflanze vorzuenthalten ist deshalb inhuman. Über die Modalitäten einer Legalisierung zum Genuss für alle Erwachsenen mag noch einen Moment diskutiert werden – was aber Patienten angeht, muss diese Diskussion sofort beendet werden. Wenn die Richter das ebenso sehen ist die Regierung aufgefordert, ihre immer noch dem „Krieg gegen Drogen“ geschuldete Politik zu beenden und das Betäubungsmittelgesetz zum Wohl der Patienten zu reformieren.
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