Gereon Asmuth zur EU-Flüchtlingspolitik: Mit oder ohne Erdoğan?
Darf Angela Merkel das? Mitten im türkischen Wahlkampf nach Ankara fliegen, um mit der dortigen, sagen wir mal nicht unumstrittenen Regierung über Flüchtlinge zu verhandeln? Mit Präsident Recep Tayyip Erdoğan? Mit einem Despoten, dessen Umgang mit Kurden und Oppositionellen und erst recht mit oppositionellen Kurden derart unerträglich ist, dass sich jedes Gespräch mit ihm verbietet?
Aber andererseits: Sind da nicht immer noch Zehntausende Flüchtlinge, Menschen, die wir zu Fuß quer durch Europa wandern lassen? Die gerade in Regen und Kälte und Schlamm an der kroatisch-slowenischen Grenze stehen? Die – ach, Geschichte, die du dich dauernd wiederholst – wie einst Ronald Reagan an Grenzanlagen stehen und rufen: „Öffnet das Tor!“?
Und wäre es daher nicht der einzige Weg, die humane Lösung, wenn man diesen Menschen einen Weg aufzeigen könnte, der sie entweder direkt, geordnet, kontrolliert nach Europa, nach Deutschland führt? Also direkt aus der Türkei hierher? Der diesen Weg nicht nur körperlich und finanziell potenten, sondern auch armen und schwachen Flüchtlingen erlaubt? Oder der andersherum dazu führt, dass die Lage in den Flüchtlingslagern an der Grenze zu Syrien erträglicher wird? So erträglich, dass die jetzt Hoffnungslosen auf die lange, beschwerliche, unmenschliche Reise nach Europa gern verzichten wollen? Wäre ein Abkommen zwischen Merkel und Erdoğan also genau im Sinne derjenigen, um die es geht? Selbst dann, wenn jedes Abkommen mit der Türkei nicht nur Wege für die einen öffnete, sondern für viele andere auch schließt?
Muss man also mit Erdoğan einen Bund eingehen, weil wir uns auch nach der Wahl kaum eine passendere türkische Regierung werden backen können? Aber noch mal: Darf man einen Pakt mit dem Teufel eingehen, um Menschen in Not zu retten, auch wenn man weißt, dass man mehr oder weniger direkt andere Menschen in Not bringt? Es ist ein Dilemma.
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