: „Gerechtigkeit ist ein Thema“
Der Vize-Landeschef des Kieler CDU-Arbeitnehmerflügels will das Bürgergeld und sieht sich dabei durchaus nahe an grünen Positionen. Mit einem Linksruck habe das aber nichts zu tun
ANDREAS ELLENDT, 43, ist stellvertretender Vorsitzender der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA) in Schleswig-Holstein.
INTERVIEW ESTHER GEISSLINGER
taz: Herr Ellendt, Sie setzen sich für ein Bürgergeld ein und begründen das mit dem schlechten Wahlergebnis der CDU in Hessen. Wollen Sie einen Linksruck der Union in Schleswig-Holstein?
Andreas Ellendt: Ich würde Bürgergeld nicht als linkes Thema bezeichnen – die SPD lehnt es ab. Bürgergeld ist ein freiheitlich-bürgerlicher Ansatz: Es geht darum, den Bürger mündiger zu machen, um seine Kapazitäten freizusetzen. Der Staat gibt ihm Geld und zieht sich dann zurück.
Die Grünen wollen ein Grundeinkommen, also ein ähnliches Modell. Wäre, um dieses Ziel zu erreichen, für Sie eine schwarz-grüne Koalition denkbar?
CDU und Grüne haben große Überschneidungspunkte, gerade was die Haltung gegenüber den Menschen angeht. Es ist eine typisch grüne Position, dem Menschen etwas zuzutrauen, und bei diesem gesellschaftlichen Ansatz liegt die CDU den Grünen näher als der SPD. Auch programmatisch ähnelt sich vieles. Das wird heute noch unterschätzt, und es gibt tradierte Feindbilder, aber das wird sich ändern. Ob wir in Schleswig-Holstein bei der Landtagswahl 2010 schon so weit sind, weiß ich nicht, aber irgendwann ist die Zeit reif für eine solche Koalition. Ich bin überzeugt, dass es dem Land gut tut, wenn eine frische Mischung entsteht und neue Ideen freisetzt.
Zunächst müssen Sie Ihre eigene Partei vom Bürgergeld überzeugen – wie steht es damit?
Innerhalb des Arbeitnehmerflügels, der CDA, gab es große Zustimmung, darum beraten wir das Thema nun weiter. Auch der Wirtschaftsflügel hat sich damit beschäftigt und begrüßt es grundsätzlich. Wir kommen dabei aus verschiedenen Richtungen: Den Wirtschaftsleuten ist wichtig, dass durch Bürgergeld die Lohnnebenkosten sinken. Die Arbeitnehmer fühlen heute eine große Unsicherheit. Es ist ein Problem der CDU, dass wir nicht als soziale Partei gesehen werden. Das hat auch die Hessen-Wahl gezeigt. Soziale Gerechtigkeit ist ein Thema, und die CDU schafft es nicht zu vermitteln, dass sie es entschieden anpackt. Die Menschen sehnen sich nach Sicherheit, und die Politik muss diese Sicherheit geben.
In der CDU wird bereits das Bürgergeld-Modell des thüringischen Ministerpräsidenten Dieter Althaus diskutiert. Er will ein bedingungsloses Grundeinkommen mit Steuern koppeln, wobei dann die Wahl bestehen soll: höheres Grundeinkommen plus höhere Steuer auf sonstige Einkünfte oder niedriges Einkommen und niedrige Steuer.
Ich bin für das Althaus-Modell. Erstens, weil es schon in einem CDU-Landesverband Beschlusslage ist, zweitens, weil ich es für finanzierbar und leicht zu erklären halte. Aber wir haben uns als CDA auf kein Modell festgelegt, es gibt andere Ideen. Ich finde es wichtig, das Thema zunächst grundsätzlich salonfähig zu machen und diejenigen zu überzeugen, die es ablehnen – etwa, weil sie eine „Kultur der Faulheit“ fürchten. In Deutschland tut man sich schwer damit, Geld von Arbeit zu entkoppeln. Aber wir brauchen einen Wechsel: Schon heute arbeiten viele Menschen aus verschiedenen Gründen nicht, in der Folge sind die heutigen Sozialsysteme auf Dauer nicht zu halten. Gleichzeitig würde das Bürgergeld einen echten Bürokratieabbau bewirken. In Deutschland werden leider oft Ideen zerredet, weil man sich an Details festhält. Man sieht nur Hindernisse und verliert dabei das Ziel aus den Augen. Darum wollen wir einen Mentalitätswechsel: Wir wollen auf das Ziel schauen, nicht auf die Probleme.
Zieht die CDU mit dem Bürgergeld in den Landtagswahlkampf 2010?
Das wäre sehr optimistisch. Realistisch wird es vielleicht fünf Jahre dauern, bis die Partei überzeugt ist. Ich hoffe, dass die CDA bis zum Sommer einen Beschluss fasst, mit dem wir dann in andere Gremien gehen könnten. Mein Wunsch ist, dass wir das Modell beim Parteitag im Herbst vorstellen können.