Geplanter Atomtransport: Castor nach Russland illegal?
Atommüll aus dem nordrhein-westfälischen Ahaus soll in das russische Lager Majak befördert werden. Doch der dafür nötige Staatsvertrag ist nicht unterschrieben.
BOCHUM taz | Den Atomtransporten vom nordrhein-westfälischen Zwischenlager Ahaus in das verstrahlte russische Atomkombinat Majak fehlt offenbar die rechtliche Grundlage. Wie das sächsische Wissenschaftsministerium als Eigentümerin des atomwaffenfähigen Urans und Plutoniums erklärt, ist der für den Atommüllexport notwendige Staatsvertrag zwischen der Bundesrepublik und Russland bis heute nicht unterschrieben.
Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) hatte Ende September den Transport von 951 Brennelementen genehmigt, die ursprünglich aus dem einstigen DDR-Forschungsreaktor im sächsischen Rossendorf stammen. Bei Umweltschützern und Atomkraftgegnern sorgt vor allem das Ziel Majak für Empörung: Das 1945 zur Entwicklung der sowjetischen Atomwaffen gegründete Kombinat wird wegen diverser Störfälle, bei denen Strahlung entwich, mit dem Katastrophenreaktor von Tschernobyl verglichen.
Noch heute lebten über 5.000 Menschen in den radioaktiv verseuchten Gebieten, sagt Wladimir Slivjak von der Umweltorganisation Ecodefense. Castor-Transporte dorthin seien "unverantwortlich und zynisch", schreibt er in einem offenen Brief an Kanzlerin Angela Merkel, Sachsens Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich (beide CDU) und dessen NRW-Kollegin Hannelore Kraft (SPD).
Deren rot-grüne Koalition lehnt Atomkraft zwar ab, weiß aber nicht, wie sie den Export des strahlenden Mülls verhindern soll. "Unsere Einschätzung ist, dass das Land rechtlich nichts gegen Atomtransporte unternehmen kann", sagt der NRW-Grünenchef Sven Lehmann. Schon vor dem Transport der Rossendorfer Brennstäbe nach Ahaus 2005 habe der damalige SPD-Innenminister Fritz Behrens "durch alle Instanzen bis zum Bundesverwaltungsgericht" geklagt - und verloren: Dem Land stehe kein eigenes Klagerecht zu, urteilten die Richter damals.
Der Bewegung reicht das nicht. Die Landesregierung ignoriere, dass die Genehmigung des BfS wegen des fehlenden Staatsvertrags hinfällig sein könnte, sagt Felix Ruwe, Sprecher der Ahauser Anti-Atom-Initiative. Er kritisiert, dass das Ministerium schon ein Treffen zur Koordinierung möglicher Polizeieinsätze bei den Castor-Transporten veranstaltete: "Ohne Staatsvertrag keine Vorbereitungen."
"Juristische Bedenken ersetzen keine Politik", mahnt Matthias Eickhoff von der Initiative Sofortiger Atomausstieg. Rot-Grün in Düsseldorf müsse mit der Bremer Landesregierung und der grünen Hamburger Umweltsenatorin Anja Hajduk zusammenarbeiten, fordert er: "Dann würden schon drei Bundesländer diese unnötigen und gefährlichen Castor-Transporte ablehnen."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich