piwik no script img

Geplante MineraliengewinnungSieg für norwegische Umweltschützer

Was wiegt schwerer: Arbeitsplätze und Steuereinnahmen oder Gewässerschutz? Ein Gericht hat nun entschieden. Die Bedeutung geht über Norwegen hinaus.

Sunnfjord-Landschaft Foto: Depositphotos/imago

Härnösand taz | Im Kampf gegen die Vermüllung eines Fjords haben norwegische Umweltverbände nun richterliche Unterstützung bekommen. Der EFTA-Gerichtshof in Luxemburg teilt ihre Auffassung, dass ein Zuwachs an Arbeitsplätzen und Steuereinnahmen in einer Region kein „übergeordnetes öffentliches Interesse“ darstelle. Also lässt sich damit im Sinne der EU-Wasserrahmenrichtlinie auch keine Ausnahmegenehmigung für ein Bergbauprojekt rechtfertigen, das den Zustand eines Gewässers verschlechtert würde.

Seit über zehn Jahren kämpfen Verbände und private Initiativen dagegen an, dass das Unternehmen Nordic Mining den Grubenabfall seiner lange geplanten Rutilgewinnung im Førdefjord entsorgen dürfen soll – jetzt haben sie neue Hoffnung.

„Wir freuen uns über diesen Erfolg auf ganzer Linie“, sagt Anwalt Amund Noss der taz. Er vertritt die klagenden Verbände „Friends of the Earth Norway“ und „Young Friends of the Earth“. Noss betont, die Einschätzung des EFTA-Gerichtshofs habe Bedeutung über den konkreten Fall hinaus. Nun sei für ganz Europa geklärt worden, wie der Begriff „übergeordnetes öffentliches Interesse“ in der EU-Wasserdirektive zu interpretieren sei. „Das ist eine gute Nachricht für den Gewässerschutz in Europa insgesamt und ein guter Tag für die norwegische Umweltbewegung“, so Noss.

Aus der Einschätzung des Gerichts folgt aber auch, dass die Bedeutung von kritischen Mineralen – in diesem Fall geht es um Rutil – unter gewissen Umständen ein übergeordnetes öffentliches Interesse darstellen könne. Das hatten auch die klagenden Umweltorganisationen vorausgesetzt. Der EFTA-Gerichtshof machte nun aber deutlich, dass es nicht ausreicht, dies theoretisch anzunehmen. Für jeden Fall einzeln müsse der Nachweis konkret geführt werden, was im Fall des Førderfjord-Projekts nicht stattgefunden habe, wie Noss sagt.

Im Gegenteil: Das Mineral-Argument wurde von der norwegischen Regierung, die die erste Genehmigung für das Bergbauprojekt des Unternehmens Nordic Mining schon 2016 erteilt hatte, erst viel später ins Spiel gebracht. Ursprünglich argumentierte sie ausschließlich mit ökonomischen Vorteilen für die Region.

Export als Argument

Generell stellte das Gericht fest, dass der Mineralabbau seine Relevanz für das Argument „übergeordnetes öffentliches Interesse“ verliert, wenn das gewonnene Material nach außerhalb des europäischen Wirtschaftsraums exportiert werde.

Die Regierung hatte auch damit argumentiert, dass die soziale Entwicklung einer von Abwanderung betroffenen Region als Argument für eine Ausnahmeregelung gelten müsste. Das Gericht bestätigte zwar, dass Abwanderung oder „soziale Not“ einer Region im Prinzip relevant sein könnten. Die Region Sunnfjord könne aber kaum als bedürftige, abgelegene Gegend beschrieben werden, hatte Noss schon im Oktober bei der Anhörung in Luxemburg gesagt.

Die Umweltorganisationen hatten eine Klage in Oslo in erster Instanz verloren, es sah keine Verletzung der EU-Vorgaben. Das angerufene Berufungsgericht hatte den EFTA-Gerichtshof um eine Einschätzung gebeten – er waltet über die Anwendung von EU-Rechts in den EWR-Ländern Norwegen, Island und Liechtenstein. Das Urteil ist nicht bindend, es hat empfehlenden Charakter. Aber: Wenn das Berufungsgericht der Argumentation nicht folge, „geht es direkt zum Obersten Gerichtshof“, kündigte Anwalt Noss schon jetzt an. Die Verhandlung ist für Juni geplant.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!