Georgischer Ex-Präsident Saakaschwili: Mit einem Bein im Knast
Michail Saakaschwili muss sich wegen eines Polizeieinsatzes gegen Proteste im Herbst 2007 vor Gericht verantworten.
BERLIN taz | Die georgische Generalstaatsanwaltschaft hat gegen den ehemaligen Präsidenten der Kaukasusrepublik, Michail Saakaschwili, Anklage wegen Amtsmissbrauch erhoben. Im Falle einer Verurteilung drohen dem 46-Jährigen zwischen fünf und acht Jahren Haft.
Die Vorwürfe beziehen sich auf Massenproteste der Opposition im November 2007 in der Hauptstadt Tiflis. Mehrere Tage lang waren dort bis zu 50.000 Menschen gegen die Regierung auf die Straße gegangen. Am 7. November löste die Polizei die Kundgebungen mit Wasserwerfern, Gummigeschossen und Tränengas gewaltsam auf. Dabei wurden 509 Demonstranten verletzt und 21 festgenommen. Gleichzeitig wurde der regierungskritische Fernsehsender Imedi-TV von Polizeitruppen gestürmt und abgeschaltet. Die Regierung warf Russland vor, einen Staatsstreich versucht zu haben, und verhängte bis zum 16. November den Ausnahmezustand. Nach dem Tod des Miteigentümers von Imedi-TV, des Oligarchen Badri Patarkazischwili, im Jahre 2008 wurde der Sender von der Regierung übernommen.
Saakaschwili, der 2013 nach zwei Amtsperioden als Staatschef abtreten musste, bezeichnete die Anklage gegen ihn als ausschließlich politisch motiviert. Den ehemaligen Premierminister Bidzina Iwanischwili, dessen Partei Georgischer Traum im Herbst 2012 die Parlamentswahlen gegen Saakaschwilis Partei Vereinte Nationale Bewegung (UNM) gewonnen und damit den Machtwechsel eingeleitet hatte, nannte er einen „russischen Oligarchen“, dessen Georgien sich bald entledigen werde.
Giga Bokeria, einer der UNM-Chefs, sprach von einer neuen Welle politischer Verfolgung, die die Zerstörung der stärksten Oppositionspartei zum Ziel habe. Und er fügte hinzu: „Ich sage Ivanischwili und seinem Team politischer Sklaven, dass es ihnen nicht gelingen wird, ihr autoritäres Regime in Georgien aufrechtzuerhalten. Die Gesellschaft wird diese Regierung abwählen.“
Saakaschwili ist nicht der Einzige, der sich bald im Gefängnis wiederfinden könnte. Auch gegen den ehemaligen Innenminister Vano Merabischwili, den früheren Generalstaatsanwalt Zurab Adeischwili, Exverteidigungsminister Davit Kezeraschwili sowie den ehemaligen Bürgermeister von Tiflis, Gigi Ugulawa, wurde Anklage wegen Amtsmissbrauch erhoben. Merabischwili wurde wegen dieses Deliktes im vergangenen Februar zu fünf Jahren Haft verurteilt. Kezeraschwili ist nach Frankreich geflüchtet, das sich bislang weigert, ihn nach Georgien auszuliefern.
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