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George Clooney im HarzHinter Hitlers Truppen

Der Harz ist im Aufruhr, weil George Clooney derzeit dort dreht. Wie hieß noch gleich der Film? Und wovon handelt er?

Dreharbeiten in Goslar: Komparsen fahren auf einem historischen Militärfahrzeug durch die Stadt. Bild: dpa

In der Goslarschen Zeitung reihen sich täglich Sonderseiten aneinander und der NDR ist von den verweigerten Drehgenehmigungen so frustriert, dass er nicht mehr nur über, sondern auch für den Star aus Hollywood berichtet: „Ausflugstipps für George Clooney“ heißt ein Beitrag auf der NDR-Website. Der Hype in Goslar währt schon länger: Bereits beim Casting der Komparsen Anfang März herrschte riesiger Andrang.

Seitdem ist die zentrale Frage: Wann und wo genau zeigt sich George Clooney? Gut, Clooney, Regisseur, Hauptdarsteller und Co-Produzent in Personalunion, ist ein internationales Schwergewicht. Aber was wird da eigentlich gedreht im Harz?

Es geht um ein paar Szenen eines Action-Thrillers namens „The Monuments Men“. Das Drehbuch schrieben Clooney und Grant Heslov, Vorlage ist der gleichnamige Band von Robert M. Edsel und Bret Witter.

Die Geschichte nach wahrer Begebenheit spielt zum Ende des Zweiten Weltkriegs. Die Alliierten bilden eine kleine Spezialeinheit, im Buch auf elf US-amerikanische Kunsthistoriker und Museumsfachleute reduziert, die Monuments Men. Sie sollen nach der Landung in der Normandie hinter den feindlichen Linien von Hitlers Truppen erbeutete Kunst bergen und retten.

Hype im Harz

Rund 2.000 Menschen aus Goslar und Umgebung sind als Komparsen am Dreh beteiligt.

Beim Komparsen-Casting Anfang März haben sich rund 4.000 Interessenten vorgestellt.

Gesucht wurden vor allem Menschen mit Amputationen, die als Kriegsversehrte eingesetzt werden sollten. Bewerber mit Piercings, gefärbten Haaren oder Solarien-Bräune hatten dagegen keine Chance.

Für den Dreh am vergangenen Montag in Goslar wurde das historische Zentrum um die Breite Straße gesperrt. Unbeteiligte durften das Sperrgebiet nicht betreten.

Die Komparsen mussten schriftlich zusichern, über die Dreharbeiten zu schweigen. Auch auf gar keinen Fall gestattet war ihnen, das Set oder gar George Clooney zu fotografieren.

Die Dreharbeiten in der Region gehen noch bis 25. Mai weiter. Am Dienstag wurden sie am Ottiliae-Schacht in Clausthal-Zellerfeld fortgesetzt.

Historische Wahrheit ist, dass ab 1943 der Kunsthistoriker Hermann Voss als Sonderbeauftragter für Hitlers in Linz geplantes Führermuseum systematisch Kunst akquirierte. Er bezifferte die Ausbeute später auf 5.000 Kunstgüter, die Zahl wird jedoch bezweifelt.

Perfide Demütigung

Nun ist das Phänomen der Beutekunst so alt wie das Kriegshandwerk selber. Keine Demütigung eines Gegners scheint perfider, als ihn um Teile seines kulturellen Erbes zu berauben. Auch die siegreichen US-Streitkräfte praktizierten nach 1945 diese Strategie. Erst das Wiesbadener Manifest des amerikanischen Kulturschutzoffiziers Walter Farmer bewirkte im April 1949 die Rückführung deutscher Kunstschätze aus Washington, darunter gut 200 beschlagnahmte Gemälde aus Berliner Museen.

Aber dies ist natürlich nicht mehr Bestandteil des Clooney-Plots. Hier soll heroisch der selbstlose Auftrag einer bewusst klein gehaltenen US-Einheit zur Rettung des europäischen Kulturgutes beschworen werden. So ist zumindest der Tenor des Buches von Robert M. Edsel. Um gewissenhafte Geschichtsschreibung geht es „The Monuments Men“ nicht.

In der strukturschwachen niedersächsischen Harzregion scheint die Zeit stehengeblieben zu sein. Set-Schreiber Robert Harris fand hier pittoreske Dörfer, die in die Zeit um 1944 passen, sowie ländliche Situationen, wie gemacht für die Story. Drehbeginn war in den Studios Babelsberg Anfang März, nach den Harzszenen geht es für einige Wochen nach England und dann erneut nach Berlin.

Zum Schweigen verpflichtet

Im Harz gibt es außerdem historische Bergwerke, gern Lagerstätten der Beutekunst, die die Geschichte erfordert. Also Anruf im Schacht Ottiliae, Clausthal-Zellerfeld: ja, hier wird gedreht werden, aber man sei zum Schweigen verpflichtet.

Im Bergwerk Rammelsberg, ein weiterer Drehort, begrüßt eine freundliche Telefonstimme mit „Glück auf“ und stellt zu Pressesprecher Dettmer durch. Er lacht mittlerweile über den von Clooney generierten Ansturm und erzählt: Während des Krieges sei im Rammelsberg einiges eingelagert gewesen, Bestände des Stadtarchivs Goslar etwa und der Löwe vom Braunschweiger Burgplatz – aber keine Beutekunst! Beim Dreh in der Altstadt Goslars am Montag sollten ein Teil der Breiten Straße und deren Nebengassen eine belgische Kleinstadt darstellen.

Nun sind sowohl die 1.000 Jahre alte Silbermine Rammelsberg als auch Goslars historische Innenstadt seit 1992 Unesco-Welterbe. Gibt es denn gar keine Skrupel, diese geschichtlich verbrieften Orte als Kulissen zu verbraten? Studio Babelsberg verweist auf produktionstechnische Gründe, außerdem gehöre Imagination zum Film. Christian Burgart, Pressesprecher der Stadt Goslar, sähe es natürlich lieber, Goslar würde als authentischer Schauplatz dienen. Das geht aber nun mal nicht bei der Handlung, eine Werbewirkung sei auch so gegeben.

Fazit: Action-Stories sind keine Dokumentarfilme, und Nazi-Schmonzetten scheinen ungebrochen attraktiv. Für die Clooney-Fans interessant: Er soll während der Dreharbeiten im Fünf-Sterne-Hotel „Zu den Rothen Forellen“ in Ilsenburg logieren. Der Film kommt dann am 2. Januar 2014 in die deutschen Kinos.

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4 Kommentare

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  • C
    Christian

    Grottenschlechte Recherce zum Thema Sonderprojekt Linz. Schon mal überlegt was in der Zeit nach dem Frankreichfeldzug geschah.

  • P
    Philipp

    Liebe "Stupid German Money"-Schreier:

    Ich bin mir sicher, dass "The Monuments Men" von der Filmförderung des Bundes (FFA) und den regionalen Förderungen Niedersachsens, Berlin-Brandenburgs und Mitteldeutschlands mit sicher nicht geringen Beträgen unterstützt wird.

     

    Mit Kultur- und Medienpolitik hat das ebensowenig zu tun wie mit Fetischen und der Frage nach der Kriegsrealität im Irak: Die Filmförderung fördert Projekte, die potenziell Kassenschlager werden können - und das insbesondere im Falle der regionalen Förderungen rein aus wirtschaftlichen Gründen: Die Förderung ist daran gebunden, dass ein Teil des Gesamtbudgets (nicht nur der Fördersumme) in den fördernden Bundesländern ausgegeben wird - es handelt sich um eine Förderung der regionalen (Film)wirtschaft.

     

    Man könnten sogar argumentieren, dass die Filmschaffenden, die für Clooney arbeiten, derart gut verdienen, dass sie nur dadurch in der Lage sind, die üblicherweise mies bezahlten deutschen Kunstfilme, die der taz-Leserschaft offenbar am Herzen liegen, zu drehen. Aber das ist kein intendierte Effekt der Förderung, sondern eine (positive) Nebenwirkung.

  • T
    ThomasR

    Interessant wäre vielleicht auch die Frage, in wie weit Clooneys Produktion durch den hiesigen Drehort in den Genuss öffentlicher deutscher Filmfördermittel kommt. Verbunden mit der Frage, wie eine etwaige kultur-/medienpolitische Begründung dafür aussähe.

  • I
    Identitätsstiftung

    Stupid German Money für die Heroisierung amerikanischer Soldaten.

    Als Gegenzug könnte der Tatort im Irak, in dem welthistorische Beutekunst gemacht wurde, gedreht werden.

    Niebel als Teppichhändler und Gastdarsteller, Komparsen mit Bart verkleidete MI6 Soldaten die Anschläge durchführen. Wunderbar, das wäre spannend und so real.

     

    Welche fetisch historische Bestätigung braucht der Moloch noch?