Gentrifizierung: City-Verbot für Mieterdemo
Polizei möchte Mieter-Parade weitgehend aus der Hamburger Innenstadt verbannen und deutet Plakate um. Veranstalter klagen vor dem Verwaltungsgericht.
So eine Verfügung ist dem Mieter helfen Mieter-Anwalt Marc Meyer noch nicht in die Finger gekommen. "Da wird von der Polizei faktisch ein Innenstadtverbot verhängt, ohne eine konkrete Gefahrenprognose zu haben", sagt der Anmelder der Parade "Recht auf Stadt". Das Bündnis gegen Gentrifizierung plant für den kommenden Freitag einen Protestmarsch durch die City. Der Jurist Meyer muss es wissen, denn er hat schon viele Demonstrations-Anmelder vertreten. Am Montag hat nun Rechtsanwalt Carsten Gericke für Meyer Klage gegen die Polizei-Auflagen beim Verwaltungsgericht eingereicht.
Ursprünglich sollte die Mieter-Parade von der Moorweide entlang der Finanzbehörde am Gänsemarkt über den Jungfernstieg, Neuer Wall auf den Ida Ehre-Platz ziehen. Die Losung: "Gegen ein Unternehmen Hamburg! Für für eine grundsätzlich andere - soziale und gerechte - Stadt." Die Veranstalter hatten den Protest auf den letzten Freitag vor Heiligabend gelegt, weil an Samstagen die Innenstadt durch kommerzielle Weihnachtsparaden zur demonstrationsfreien Zone umgewandelt worden sei.
Doch nun will die Polizei die City auch am Freitag demonstrationsfrei halten. Statt der geplanten Route solle der Marsch über die Stadthausbrücke und die öde Betonpiste Willi Brandt-Straße gehen. "Das ist eine Verkennung des Versammlungsrecht", sagt Meyer. Das Versammlungsrecht sei höher angesiedelt als das Recht auf ungestörten Kaufrausch.
Dabei würde die Auflagenverfügung der Polizei nicht einmal eine konkrete Gefahrenprognose enthalten, sondern es würden veraltete Vorfälle angeführt, um ein City-Verbot zu rechtfertigen, sagt Meyer. Mit einer Ausnahme, die er für "einen schlechten Witz" halte: Die Polizei führt in der Verfügung aus, dass in St. Pauli Plakate in englischer Sprache aufgetaucht seien, wo zu vielfältigen Aktionen in der City aufgerufen werde.
"Die Plakate sind zwar korrekt vom Englischen ins Deutsche übersetzt worden", frotzelt Meyer, "es werden aber die falschen Schlüsse draus gezogen." Denn die Plakate beziehen sich auf einen Aktionstag in der Kopenhagener Innenstadt anlässlich des dort laufenden Klima-Gipfels. "Hier wird eine Gefahrenprognose konstruiert", sagt Meyer. Ursprünglich hatte die Versammlungsbehörde beim Kooperationsgespräch sogar verlangt, dass eine Stunde vor Demonstrationsbeginn die Namen und Personalien der Ordner der Polizei genannt werden müssten, damit sie auf Zuverlässigkeit überprüft werden können. So etwas habe es bislang nur bei Naziaufmärschen gegeben, wo Schläger aus Wehrsportgruppen als Ordner eingesetzt würden.
Meyer verweist zudem darauf, dass dasselbe Bündnis bereits im Juni einen Protestmarsch mit mehreren hundert Menschen ohne Zwischenfälle veranstaltet habe. Damals sei die Polizei zwar anfangs auch mit einem Großaufgebot angerückt, hätte sich dann angesichts der vielen Kinder aber schamhaft zurückgezogen. Polizisten hätten sich anschließend sogar für die höchst informative Veranstaltung bedankt, so Meyer. Polizisten seien ja auch von Mieterhöhung und Umwandlung betroffen.
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