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GentrifizierungObdachlosen-Projekte müssen weichen

Die Projekte des Obachlosen-Vereins mob passen nicht mehr ins aufgehübschte Prenzlauer Berg.

Berliner Straßenszene. Bild: DPA

„Futtern wie bei Muttern“, steht auf einem Schild. Nudeln mit Würstchengulasch kosten 2,50 Euro im „Kaffee Bankrott“. Ein Mann mit zwei Cowboyhüten auf dem Kopf sitzt allein an einem Tisch. Seine Lippen bewegen sich unablässig. Ein paar Meter weiter haben drei junge Männer ihre Köpfe auf den Tisch gelegt und schlafen tief.

Über 100 Obdachlose gehen im „Kaffee Bankrott“ täglich ein und aus. Die Lage nicht weit vom S-Bahnhof Prenzlauer Berg sei optimal, sagt Andreas Düllick vom Vorstand der Vereins „Obdachlose machen mobil“ (mob). Jetzt sind dem Verein die Gewerberäume in der Prenzlauer Allee 87 gekündigt worden. Betroffen sind alle Projekte von mob: die Straßenzeitung strassenfeger, eine Notunterkunft für Obdachlose mit 17 Plätzen und ein Trödelladen. Eine neue Bleibe in der Storkower Straße 139 ist zwar in Aussicht, aber der Vertrag noch nicht unterschrieben. Und für die Notunterkunft sei in der Storkower Straße kein Platz, bedauert Düllick.

Die Hausverwaltung Arendor hat das Mietverhältnis bereits zum Ende März gekündigt. Jetzt läuft eine Räumungsklage. „Gentrifizierung“, sagt Düllick und zitiert aus dem Brief der Hausverwaltung: „Die Wohnsituation hat sich im Laufe der letzten Jahre in Prenzlauer Berg so verändert, dass es uns nicht möglich ist, ein Projekt Ihrer Art in unserem Objekt zu halten.“ Ein Blick aufs Nachbarhaus zeigt: Dort praktiziert man bereits „schöner Wohnen“ – und guckt herunter in den Hof, durch den die Obdachlosen ins „Kaffee Bankrott“ gehen.

Die Hausverwaltung Arendor verweigerte am Montag jegliche Stellungnahme. Lioba Zürn-Kasztantowicz (SPD), Sozialstadträtin von Pankow, sagte, sie werde versuchen, für die Notunterkunft eine Alternative zu finden.

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15 Kommentare

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  • S
    Sabine

    Tja, genau das ist der Grund, warum z. B. ein Flüchtlingswohnheim in Hellersdorf eingerichtet wird und nicht in einem der "höherwertigen" Wohnviertel. Unter diesem Aspekt kann man den Anwohnerprotest verstehen.

    Schlimm, dass die Wohnungslosen am Prenzlauer Berg bald abgeschoben werden, denn das Viertel ist schließlich auch ihr zu Hause, auch wenn sie kein Dach über dem Kopf haben.

    Aber so ist es in allen Städten: Schon vormals beliebte und gewachsene Wohnviertel werden vornehm. Bei uns in Westfalen ist es ganz genauso: Die Häuser, die mit allem, was es an Material gab, nach dem Krieg gebaut wurden, gehen langsam in die Knie. Die ehemaligen Besitzer sind alt oder verstorben und verkaufen. Und wer kauft? ganz bestimmt niemand, der sich mit Mietern beschäftigen möchte, sondern stinkreiche Kapitalanleger, die die Häuser entweder plattmachen und neu bauen oder kernsanieren und aus den bezahlbaren Mietwohnungen eine richtige geldquelle namens Eigentumswohnung machen. Bisschen Parkett, ein neues Bad, ein Balkon dran, Isolierung - und schon kostets richtig Knete. Die ehemaligen Mieter finden aich am Stadtrand wieder. Obdachlose? Ja, da waren mal welche. Wo die jetzt sind? Vielleicht hinterm Bahnhof? Keine Ahnung.

  • Die Solidarität mit Projekten für Obdachlose Menschen ist groß. Viele Menschen in Deutschland haben sehr niedriges Einkommen und die Mieten sind viel zu hoch und wachsen überproportional zum Gehalt/Lohn/HARZ 4/Sozialhilfe etc. Niemand möchte obdachlos sein.Solche Kündigungen dürfen nicht zugelassen werden. Eigentlich ist es zu diskutieren, ob, im Interesse der Allgemeinheit, eine Enteignung beim Eigentümer nach Artikel 14, Absatz 3 Grundgesetz (Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig…) gerechtfertigt wäre. Der Eigentümer bekäme in diesem Fall eine angemessene Entschädigung. Die Kompetenz einer solchen Entscheidung liegt beim Bundesverfassungsgericht und bei Politikerinnen und Politikern.

  • Da es sich um viele Menschen handelt, die betroffen sind, kann eine Beschwerde beim Verbraucherschutz eventuell wirkungsvoll sein.

     

    http://www.vz-berlin.de/home

    Verbraucherzentrale Berlin e.V.

    Hardenbergplatz 2

    10623 Berlin

    Tel.: 030 / 214 85 - 0

    Fax: 030 / 211 72 01

    E-Mail: mail@verbraucherzentrale-berlin.de

  • Laut dem Artikel 34, Absatz 3 (Soziale Sicherheit und Unterstützung) der Charta der Grundrechte der Europäischen Union steht den betroffenen Menschen und dem Verein die staatliche Hilfe zu. „…Um die soziale Ausgrenzung und die Armut zu bekämpfen, anerkennt und achtet die Union das Recht auf eine soziale Unterstützung und eine Unterstützung für die Wohnung, die allen, die nicht über ausreichende Mittel verfügen, ein menschenwürdiges Dasein sicherstellen sollen, nach Maßgabe des Unionsrechts und der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten.“

  • Ferner ist zu prüfen, ob alle juristischen Modalitäten der Kündigung rechtmäßig sind. Oft ist die Kündigung eines Mietverhältnisses unwirksam oder rechtswidrig. Sie könnten eine(n) Rechtsanwalt/Rechtsanwältin für Mietrecht unter nachfolgen den Internetadresse finden

     

    http://beratung-kann-helfen.de/beratung-kann-helfen/beratungsstellen.html

  • Viele Menschen in Deutschland finden die Obdachlosen-Projekte gut. Derartige Projekte liegen im Öffentlichen Interesse. Deswegen wäre es zu prüfen, ob die Hausverwaltung Arendor, um wahrscheinlich mehr Profit zu erwirtschaften, kündigen darf. Artikel 12, Absatz 2 im Grundgesetz besagt „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen“. Diese Frage könnten Menschen des Obachlosen-Vereins über den folgenden Link an unsre Kandidaten für den Bundestag stellen. Außerdem kann man einfach nach Hilfe fragen. Ich bin mir sicher, es wird geholfen.

     

    http://www.abgeordnetenwatch.de/kandidierende-1161-0----w7488.html

    • @Stefan Mustermann:

      Hier Artikel 14, Absatz 2

  • Unter der Internetadresse

     

    http://de.reclabox.com/

     

    können sich die Menschen des Obachlosen-Vereins mob über die Hausverwaltung Arendor öffentlich beschweren. Die Beschwerde wäre weltweit ansehbar, zum Beispiel über eine Suchmaschine wie Google zu finden sein. Gemäß Artikel 5 im Grundgesetz haben sie das Recht, sich öffentlich zu beschweren. Viele Vermieter meiden negative Presse, die schreckt neue Mieter ab.

  • V
    Verschleiereule

    Erstaunlich dass sich eine Hausverwaltung nicht mal mehr die Mühe macht, ihre fragwürdigen Absichten irgendwie zu verschleiern.

  • Wir sind kein Land des Kapitalismus, sondern ein Land der sozialen Marktwirtschaft. D.h. wenn jemand nicht in der Lage ist seine Miete zu zahlen, müssen die zuständigen Behörden helfen!

     

    Jetzt sehen wir, wie notwendig es geworden ist, eine regulatorische Regelung gegen steigende und bereits gestiegene Mieten einzuführen.

     

    Per Grundgesetz und per Charta der Menschenrechte der EU wäre auch eine rückwirkende Anpassung des Mietpreisniveaus zulässig!

    • U
      USPD
      @Stefan Mustermann:

      Kapitalismus = soziale Marktwirtschaft

      Nur die soz. Marktw. hat sich ein nettes Mäntelchen darüber gelegt und ein Duftwässerchen aufgelegt. Unten drunter stinken und sehen beide eigentlich gleich aus. Überall wird der Mensch und die Natur durch den Menschen ausgebeutet...

  • U
    ultraphlegmatic

    „Die Wohnsituation hat sich im Laufe der letzten Jahre in Berlin so verändert, dass es uns nicht möglich ist, Menschen Ihrer Art in unserer Stadt zu halten“, möchte man der Hausverwaltung entgegenhalten und diese sodann mit Schimpf und Schande zum Dorfe hinausjagen.

  • T0
    Tortes 01

    An diesem krassen Beispiel sieht man wieder, wie asozial und menschenverachtend Gentrifizierung eigentlich ist.

     

    Asoziale Lebenseinstellung hat nichts mit Armut und Odachlosigkeit zu tun, sondern etwas mit der geistigen Grundeinstellung;

     

    1. Wohnungsbauunternehmen, die mit Renovierungs-/Mietwucher Kleinrentner aus ihrer jahrzehntelangen Wohnumgebung "entmieten"

    2. Möchtegern-Szeneviertler, die überteuerte Altbauluxuswohnungen in gentrifizierten Stadtvierteln kaufen

    3. Manager, die Arbeitsplätze ohne Not von Europa in die hintere Mongolei veschieben, weil hierzulande die Gewinnmarge zwar gut ist, in der frisch industrialisierten Steppe aber gigantisch, ohne Rücksicht auf Verluste bezüglich der Mitarbeiter- äh Menschenschicksale.

     

    Das sind nur 3 Beispiele für Asozialität, aus einem Feld von vielen mehr ...

    • DH
      Denken hilft - Lesen auch!
      @Tortes 01:

      Gentrifizierung ist ein Prozess der Veränderung. Das was Sie beschreiben, nennt sich ganz klar Kapitalismus!

  • J
    Jo

    Die Hausentmieter Arendor haben wohl ihre Handlung an der Zeit von 1933 bis 1945 in Deutschland orientiert; nein, nicht bei den Kommunisten udn AntifaschistInnen.

    Heute die Obdachlosen, morgen die Linken?

    Wie wäre es mit dem Slogan, praktisch umgesetzt: Arendor raus aus Berlin!