Gentrifizierung in Frankfurt: Pastrami-Boom neben Bordellen

Das Bahnhofsviertel wird zum Szeneviertel. Einwohner kritisieren, dass steigende Mieten und „die Kreativen“ zu Verdrängung führen.

Eine bunt beleuchtete Häuserfassade

Das Bahnhofsviertel von Frankfurt am Main im Januar 2015. Foto: dpa

FRANKFURT/MAIN taz | James Ardinast trägt in dem Film auf YouTube einen hippen Undercut, Rauschebart und Sonnenbrille. Der Restaurantbetreiber spricht in die Kamera, während er durch die Einkaufspassage des Frankfurter Bahnhofsviertel läuft. „Das Schöne ist, hier passiert eine ganze Menge“, sagt Ardinast. „Die Kaiserpassage ist ja so eine kleine Perle.“ Das Bild wackelt etwas, sehr modern sieht das alles aus, sehr angesagt. Die Brille nimmt der Mann während des ganzen Videos nicht ab.

Ardinas ist Szenegastronom in der Mainmetropole. Gemeinsam mit seinen Geschwistern hat er im Bahnhofsviertel einen der ersten Pastrami-Sandwich-Imbisse in Deutschland eröffnet. Auf polierten Nussbaumtischen bekommt der Frankfurter die New Yorker Spezialität für knapp 10 Euro pro Sandwich serviert.

Auf Ardinast Internetseiten wundern sich einige Besucher über die seltsame Location. Das Bahnhofsviertel gilt als schäbig und heruntergekommen, es ist vor allem für seine Rotlicht- und Drogenszene bekannt. Eingerahmt von den glänzenden Türmen der Commerzbank und der ehemaligen Europäischen Zentralbank, an der nördlichen Seite vom Main begrenzt, bestimmen im Bahnhofsviertel Junkies, Straßenprostituierte und Sexshops das Bild. Zumindest war das bisher so.

Ein anderer Rezensent schreibt auf Ardinast Seite: „Weinauswahl und Ambiente passen sehr gut in das neue „hippe“ Bahnhofsviertel. Immer wieder gerne!“ In der Tat ändert sich im Moment viel in dem lange verrufenen Viertel. Das Viertel beginnt, cool zu werden. Neulich sagte CDU-Ordnungsdezernent Markus Frank der Frankfurter Rundschau: Die Kaiserstraße, einst berühmt für ihre Bordelle, habe man den Bürgern „bereits zurückgegeben können“. Männer in Schlips und Sakko trinken hier nach Feierabend gerne ihren Gin Tonic, Künstler und Studierende verabreden sich am liebsten im holzvertäfelten Moseleck.

Problem seien nicht die Junkies, sondern die Mieten

Nun will Gastronom Ardinast mit anderen Restaurantbesitzern, dem Gewerbeverein und zwei Werbeagenturen das Bahnhofsviertel noch neuer und hipper machen. Denn genau darum geht es in dem Video. Es ist der Start für das Projekt TAB, „Taunusstraße Arts und Bites“. Ein Projekt, dass die Taunusstraße „neu entdecken und erobern“ will. Dazu hat man sich Musiker, Künstler und andere Kreative an Bord geholt. Natürlich, verdrängen wolle man hier niemanden, betonten die Organisatoren bei der Pressekonferenz. Es gehe darum, das Viertel lebenswerter zu machen und zu öffnen.

Doch nicht alle sehen das so. Schon 2012 veröffentlichten BewohnerInnen eine Petition mit dem Titel „Nicht in unserem Namen“. Darin nahmen sie Stellung zu der aus ihrer Sicht überdramatisierten Darstellung von Kriminalität und Drogenszene im Bahnhofsviertel.

Das eigentliche Problem des Stadtteils seien nicht die Junkies, mit denen sich das Zusammenleben „reibungslos“ gestalte, sondern die Verdrängung und steigenden Mieten, schrieben die BewohnerInnen.

Auch der Alternative Drogen- Suchtbericht 2015 attestiert dem Bahnhofsviertel, dass immer mehr Law and Order einkehrt und das eigentliche Problem nur verdrängt, nicht aber gelöst werde.

Zu unterstellen, der Gewerbeverein verfolge rein karitative Zwecke, ist tatsächlich gewagt. Sein Zweck ist, „gemeinsame Werbestrategien und andere kreative Maßnahmen zu entwickeln, um Umsätze zu steigern und das Bahnhofsviertel noch attraktiver zu machen“, heißt es auf der Website. Kreative Ansätze, die haben sie sich nun überlegt. Statt der Polizei schickt man nun die „Kreativen“ – eine verheißungsvolle Strategie.

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