piwik no script img

Gentechnik-Gesetz vor VerfassungsgerichtPflanzenzüchter wollen Anbau

Sachsen-Anhalt klagt vor dem Bundesverfassungsgericht gegen rot-grüne Verschärfungen der Rechtslage. Doch die Richter zeigen sich im Prozess skeptisch.

Bauern demonstrieren in Karlsruhe gegen "Genfraß". Bild: apn

KARLSRUHE taz | Bleibt das strenge Haftungsrecht für Gentech-Bauern erhalten? Darüber verhandelte am Mittwoch das Bundesverfassungsgericht. Geklagt hatte das Land Sachsen-Anhalt, das derzeit von einer großen Koalition regiert wird. Es hält das 2004 von Rot-Grün verschärfte Gentechnikgesetz für unverhältnismäßig streng und damit verfassungswidrig. Doch selbst die schwarz-gelbe Bundesregierung verteidigte gestern die rot-grünen Haftungsregeln. "Das Gesetz hat sich bewährt", sagte Agrar-Staatssekretär Robert Kloos (CDU).

Seit 2004 haben konventionelle Landwirte und Ökobauern einen Schadensersatzanspruch, wenn auf ihren Feldern plötzlich Gentechpflanzen wachsen, die aus der Nachbarschaft stammen. Den Bauern muss dann der Preisunterschied beim Verkauf ihrer Ernte ersetzt werden, wenn sie diese nicht mehr als "gentechnikfrei" vermarkten können.

Sachsen-Anhalt, das vor einigen Jahren eine Biotech-Offensive ausgerufen hatte, sieht in dieser Haftungsregel eine unzumutbare Einschränkung der Berufsfreiheit von Bauern, die "gentechnisch veränderte Organismen" (GVO) anbauen wollen. Die bloße Auskreuzung durch Pollenflug sei etwas ganz Natürliches und kein Schaden, betonte Marcel Kaufmann, der Anwalt Sachsen-Anhalts. Schließlich seien die GVO-Pflanzen nach einer Sicherheitsprüfung zugelassen worden.

Bisher hat es in der Praxis allerdings keinen einzigen Haftungsfall gegeben. Für Anwalt Kaufmann ist das aber Ausdruck der großen Verunsicherung, die das deutsche Recht mit sich bringe. Weltweit würden immerhin auf 134 Millionen Hektar GVO-Pflanzen angebaut, in Deutschland nur auf ganzen 15 Hektar. Den Bauern sei das Haftungsrisiko einfach zu hoch.

Tatsächlich rührt die geringe Anbaufläche aber auch daher, dass in Europa bisher nur zwei GVO-Pflanzen zum Anbau zugelassen sind: die Kartoffel Amflora, aus der Industriestärke hergestellt wird, und der Mais MON 810, der ein Gift gegen den Schädling Maiszünsler produziert. 2009 hat Agrarministerin Ilse Aigner (CSU) sogar den Anbau von MON 810 in Deutschland wieder vorläufig verboten, weil neue Studien Risiken für die Natur aufzeigten.

Der zweite Kritikpunkt von Sachsen-Anhalt betrifft das öffentliche Standortregister für GVO-Planzen. Die Transparenz erhöhe die Gefahr von Feldzerstörungen durch Gentech-Gegner, so Wirtschaftsstaatssekretär Thomas Pleye (CDU). Derzeit werde jeder zweite Feldversuch zerstört, ergänzte Christoph Herrlinger vom Bund Deutscher Pflanzenzüchter. Feldversuche seien gerade für die Sicherheitsforschung nötig, sagte Patricia Schmitz-Möller von der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

Zumindest die Kritik an den Haftungsregeln schien bei den Verfassungsrichtern wenig Anklang zu finden. Dass Bauern vor einer unerwünschten Vermischung ihrer Ernte mit GVO-Pflanzen geschützt werden dürfen, hielt der federführende Richter Brun-Otto Bryde für selbstverständlich. Sein Kollege Johannes Masing fragte die Kläger, ob es nicht angebrachter wäre, die Verbraucher von Vorteilen der Gentechnik zu überzeugen, als gegen Haftungsregeln zu prozessieren. Das Urteil wird in einigen Monaten verkündet.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • K
    Kritiker

    Was machen wir, wenn die genetischen Fehler, sich unkontrolliert in der Natur weiterverbreiten?

    Können wir uns diese Fehler selbst wieder ausbauen?

  • JS
    Jens Schlegel

    Schaut man sich das Gesetz einmal an, ist es nicht zu streng, sondern viel zu lasch. Es bietet keinen Schutz vor GVO und schränkt so die Freiheit der Bauern und Konsumenten ein.

    Daher kann ich diese Aussage "...sieht in dieser Haftungsregel eine unzumutbare Einschränkung der Berufsfreiheit von Bauern, die "gentechnisch veränderte Organismen" (GVO) anbauen wollen." mit einem lächeln.

     

    Denn die Freiheit GVO NICHT anzubauen, ist bisher schon dann vorbei, wenn es der Nachbar macht...

  • K
    Kreuzberg-Jakob

    Wie kann ein Land einklagen, daß seine Bewohner völlig straflos beliebig ausgerottet werden dürfen?

    Ein Land liegt still und stumm, aber die gekauften - oder erpreßten ? Volkszertreter nehmen sich das Recht!

    Die Einwohner bezahlen doch die Kläger und sind das Land!

    Was machen die Bonzen denn ohne Steuerzahler?

    Letztendlich zahlen die doch auch die Millionen, die aus unserem Bildungsfonds an Monsanto und von dort in die Taschen der Kläger fließen!

    Sie riskieren die Ausrottung des gesamten Lebens auf der Welt, ohne jeden zwingenden Grund!

    Kann jemand die eigene Brut für Geld oder Macht gefährden?

    Ich kann es mir nicht vorstellen!

  • CP
    coco price

    @dr motte:

     

    dein namensgeber hat techno verkauft ;-)

  • DM
    dr. motte

    wer gentechnik zuläßt, staatliche wasserbetriebe heimlich privatisiert, sozialleistungen kürzt, haftpflichtversicherungen von hebammen auf 3700 euro im jahr anhebt, laufzeiten für atomkraftwerke verlängert, autobahnen und stadtschlösser baut statt bildung zu fördern, vermarktet das leben!

  • R
    rauhfuß

    "Demgegenüber betonte Detlef Bartsch vom Bundesamt für Verbraucherschutz die Bedeutung der gesetzlichen Schutzbestimmungen."

    Bartsch ist selbst Gentechlobbyist und setzt sich für lockere Schutzbestimmungen ein. http://www.gen-ethisches-netzwerk.de/lexikon/detlef-bartsch

    Die Gentechkonzerne haben bereits viele Behörden, Ministerien usw. mit ihren Lobbyisten wie Bartsch durchseucht, was die dann sagen klingt zwar nach Sicherheit und Kontrolle, dient aber bei genauerer Betrachtung den Konzernen und nicht der Natur und dem Verbraucherschutz.