Gentechnik-Forscher Craig Venter: Bakterien nach Maß
Leben lässt sich künstlich zusammenbauen: Das hat der Forscher Craig Venter jetzt bewiesen. Er ließ synthetisiertes Bakterien-Erbgut in eine andere Bakterienart einpflanzen.
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WASHINGTON/ROCKVILLE dpa/afp | Amerikanische Genetiker haben ein lebensfähiges Bakterium mit einem künstlich hergestellten Erbgut geschaffen. Sämtliche Gene seien im Labor aus chemischen Stoffen synthetisiert worden, teilte der leitende Forscher Craig Venter am Donnerstag mit. Damit ist erstmals bewiesen worden, dass es möglich ist, Lebenwesen anhand eines vorgegebenen Bauplans im Labor zu konstruieren.
Venter und seine Kollegen bauten alle natürlichen Gene des Bakteriums Mycoplasma mycoides nach und setzten dieses künstliche Erbgut dann in eine andere Bakterienart ein. Daraufhin produzierte die so gekaperte Zelle nur noch Stoffe des eingepflanzten, fremden Erbguts; das Original-Genom wurde herausgekickt. Dem Team ist es mit diesem Experiment jedoch noch nicht gelungen, ein komplett neues Lebewesen zu schaffen. Denn es benötigte zumindest das Original-Erbgut eines Bakteriums und die Hülle eines zweiten Bakteriums für seine Versuche.
Bislang war es maschinell nur möglich, relativ kurze Erbgut-Moleküle aneinanderzureihen. Daher verwendeten die Forscher Hefezellen, um kurze Teilstücke mithilfe bestimmter Enzyme dieser zu Zellen miteinander zu verbinden. Die Methode wurde solange angewendet, bis das komplette Erbgut von mehr als einer Million Basenpaaren, den Grundbausteine des Genoms, vorlag. Dieses wurde dann in Bakterien der Art Mycoplasma capricolum eingesetzt, die daraufhin nur Eiweiße von Mycoplasma mycoides produzierten. Als Erfolgsbeweis wird gewertet, dass die erzeugten Kunst-Zellen sich selbstständig vermehren konnten.
"Dies ist ein sehr machtvolles Instrument, um die Biologie nach unseren Wünschen neu zu formen", glaubt Venter. Sie sei ein weiterer Schritt auf dem Weg zur Entwicklung von Bakterien, die künftig Biokraftstoffe herstellen oder das Treibhausgas Kohlenstoffdioxid beseitigen könnten. Auch bei der Produktion von Impfstoffen könnten künstlich geschaffenen Bakterien eines Tages helfen, schreibt das Team von Craig Venters Institut im Fachjournal Science vom Freitag.
Die Ergebnisse seiner neuesten Arbeit betrachtet Venter jedoch nicht nur als Meilenstein der molekularbiologischen Forschung. "Das ist ein wichtiger Schritt, glauben wir, sowohl wissenschaftlich als auch philosophisch", sagte Venter Journalisten. "Es hat sicherlich meine Sicht über die Definition des Lebens geändert und darüber, wie Leben funktioniert."
Genetiker vom Craig Venter Institute in Rockville hatten bereits zuvor aus chemisch hergestellten Erbgut-Bausteinen das Genom des Bakteriums Mycoplasma genitalium nachgebaut. Später fanden Wissenschaftler um Venter einen Weg, das natürliche Erbgut der Bakterien Mycoplasma mycoides in die Zellen von Mycoplasma capricolum einzuschleusen und dort das Ruder übernehmen zu lassen. Nun kombinierte das Team um Venter und Daniel Gibson erstmals beide Verfahren.
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